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Die letzten Überlebenden des Holocaust

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02.05.2017
Es leben nur noch wenige Zeitzeugen, die den Holocaust selber erfahren haben. In einer Ausstellung der ETH Zürich legen die letzten Schweizer Überlebenden in eindrücklichen Porträts und Videos Zeugnis ab von ihren furchtbaren Erlebnissen.

«Wir wurden in einem Viehwaggon deportiert. Drei Tage waren wir unterwegs, als der Zug stoppte. Da hörte ich plötzlich ein Gebrüll auf Deutsch: 'Aussteigen!' Ich schaute aus dem Viehwaggon, sah, wie die SS die Menschen prügelten, damit sie schnell ausstiegen. Eine Mutter kümmerte sich um ihre Kinder, ging zu langsam, da nahmen die SS ihren Säugling und warfen ihn auf einen Lastwagen, auch Alte und Kranke wurden auf den Lastwagen geworfen. Sie wurden sogleich vergast.» – So schildert Eduard Kornfeld seine Ankunft 1943 im Konzentrationslager Auschwitz. Der 1929 in Bratislava geborene Jude überlebte auch den Todesmarsch ins KZ Dachau, wo er 1945 von amerikanischen Truppen befreit wurde. Da wog er nur noch 27 Kilogramm. Seine Eltern und seine vier Geschwister wurden in den Gaskammern ermordet. Kornfeld kam 1949 in die Schweiz, kurierte in Davos eine schwere Lungentuberkulose und machte eine Lehre als Juwelenfasser. Heute lebt er in Zürich.

Erinnerung wachhalten
Eduard Kornfeld ist einer von vierzehn Überlebenden, denen die Ausstellung «The Last Swiss Holocaust Survivors» gewidmet ist. Die Ausstellung ist bis am 3. Juni im Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich zu sehen. Die ergreifenden Schwarz-Weiss-Porträts in Grossformat stammen vom Fotografen Beat Mumenthaler. Sie zeigen Menschen, welche die Schrecken des Holocaust am eigenen Leib erlebt haben. Ihre Gesichter sind von dieser Erfahrung gezeichnet. Der Zürcher Regisseur Eric Bergkraut hat filmische Kurzporträts realisiert, in denen die Überlebenden davon erzählen, wie sie die schreckliche Zeit in den Konzentrationslagern während des Zweiten Weltkriegs erlebt und wie sie nach dem Holocaust weitergelebt haben.

Die Ausstellung wurde von der Gamaraal Foundation konzipiert, die sich für bedürftige Holocaustüberlebende engagiert. Für Präsidentin Anita Winter ist es wichtig, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten, heute, da nur noch wenige Zeitzeugen über den furchtbaren Genozid aus eigenen Erfahrungen berichten können. Gregor Spuhler, Leiter des Archivs für Zeitgeschichte, betont, die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands seien zwar vor über siebzig Jahren passiert, doch Völkermord, Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit existierten auch heute noch. «Die Ausstellung ruft ins Bewusstsein, welche Gefahren drohen, wenn sich Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung religiöser Minderheiten mit der Infragestellung von grundlegenden Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates verbinden, auch in der Gegenwart.»

Alles hinterfragen
Oft werde er gefragt, wie er es schaffe, nach solchen Erlebnissen weiterzuleben, erzählte Eduard Kornfeld an der Ausstellung vor den Medien. Er habe im KZ einen riesigen Überlebenswillen entwickelt, wollte sich danach eine Familie aufbauen und einen Beruf erlernen und unabhängig bleiben. Denn er habe gelernt, dass man sich nicht auf andere verlassen könne. Die Erinnerungen aber werde man nie los, im Alter würden sie noch stärker.

Kornfeld hält viele Vorträge an Schulen. Seine Botschaft an die junge Generation: «Kein Mitläufer sein. Alles, wirklich alles hinterfragen. Fünfzig Millionen Menschen sind im Zweiten Weltkrieg umgekommen, weil man die Entwicklung nicht hinterfragt hat.»

Stefan Schneiter / reformiert. / 2. Mai 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch»

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