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Am Steuer des «grossen Dampfers» Kirchenpflege

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29.05.2017
Thomas Schweizer ist seit Anfang Jahr Präsident der Kirchenpflege von Frenkendorf-Füllinsdorf. Im Gespräch berichtet er über seine ersten Erfahrungen und erzählt, wie er in einem fordernden Amt «zwischen praktischer Arbeit, christlichem Glauben und steter Bedrohung des Absturzes» seinen Weg sucht.

Thomas Schweizer ist ein geerdeter Mensch. Mit seinen 77 Jahren geht er das Leben mit Gelassenheit und Humor an und vertraut auf seinen Schutzengel. Dieser bewahrte ihn erst kürzlich davor, beim Jäten am steilen Bord auszugleiten und in seinem Garten über das Mäuerchen zu stürzen. Der «Schutzengel» steht wirklich dort, vergnügt tanzend. Er ist die Kopie einer Skulptur über dem Hauptportal des Basler Münsters. «Ein Engel ist ein Spiegel seiner Menschen», sagt Thomas Schweizer.

Als man ihn für das Amt des Präsidenten der Kirchenpflege von Frenkendorf-Füllinsdorf anfragte, sagte Schweizer beherzt zu. Weder als langjähriger Gymnasiallehrer in Basel noch als Präsident der Füllinsdorfer Sozialhilfebehörde habe er das Engagement gescheut. Und auch jetzt nimmt er sich vor, «nicht nur Verwalter und stiller Präsident» zu sein, sondern «die Kirchgemeinde mutig und aktiv mitzugestalten. Ich will der Kirchenpflege ein Gesicht geben», sagt Thomas Schweizer.

Alle Bereiche des Zusammenlebens
Rund 3500 Mitglieder zählt die Kirchgemeinde Frenkendorf-Füllinsdorf. Fünf Pfarrpersonen teilen sich ein Pensum von 240 Prozent. Die Kirchenpflege besteht aus neun Personen. Und neben der Jugendarbeiterin, zwei Katechetinnen, drei Organisten, der Sekretärin und mehreren Sigristinnen engagieren sich 140 Freiwillige.

Den «grossen Dampfer», den er hier steuert, habe er unterschätzt, gesteht der neue Präsident. Er hat bald gemerkt, dass «keine andere Organisation praktisch alle Bereiche des Zusammenlebens beinhaltet» wie eine Kirchgemeinde: «Wir sind nicht nur Begleiter und Unterstützer des Pfarrteams, sondern auch Immobilienverwalter, technische Facility Manager, Finanzexperten, Personalchefs und vieles mehr.»

Für Thomas Schweizer ist diese Erkenntnis kein Grund, zurückzustecken. Er sieht sich nicht als Einzelkämpfer und weiss um die Unterstützung des Pfarrteams, seiner Mitstreiter im Team der Kirchenpflege und der Freiwilligen. «Sie umgeben mich wie ein treuer Schutzengel und viele gute Engel.» Ebenso ist er bereit, sich schützend vor seine Leute zu stellen und «den Kopf hinzuhalten», wenn der Dampfer in einen Sturm gerät. Der 77-Jährige sieht der Zeit als Präsident der Kirchenpflege zuversichtlich entgegen. Sein Gottvertrauen hilft ihm dabei. Der Literaturliebhaber hält es mit dem Ritter Parzival, der sich «mit unverzagtem Mannesmut» auf die Suche nach dem Heiligen Gral macht. Wie der Held aus dem mittelalterlichen Versroman von Wolfram von Eschenbach sei er «ein zweifelnder, fragender Christ, auf der Suche nach dem Göttlichen».

«Es braucht Freiheit»
Diese Suche aber trifft im Alltag auf viele Regeln – zu viele, meint Thomas Schweizer. Als Präsident der Kirchenpflege gehöre es zu seiner Aufgabe, die christliche Botschaft zu vermitteln, sagt er. Damit dies gelingt, brauche es Freiheit. Als er jedoch die kirchliche Gesetzessammlung studierte, stellte er «manchmal fast autoritäre Züge» fest und fragte sich: «Traut man einer Kirchenpflege so wenig zu, dass sie alles in der Kirchenordnung geregelt vorfinden muss? Wo bleibt das selbstverantwortliche Handeln?»

Über alles reden und zuhören
«Die Kirche muss sich öffnen und sich zeigen», findet Thomas Schweizer. Er geht gerne hinaus, spricht mit den Leuten, hört ihnen zu: «Wenn man nur ein wenig an der Oberfläche kratzt, erfährt man die spannendsten Geschichten.» Auch vor einer Auseinandersetzung drückt er sich nicht. Er erwartet, dass auch seine Kirchgemeinde mit «heftigen Diskussionen» und «harten Entscheiden» konfrontiert wird. Doch er ist überzeugt, dass man immer über alles reden kann.

Er ist sich bewusst, dass vieles, was er sich für seine Kirchgemeinde wünscht, nicht möglich sein wird. Doch «damit muss man leben», und es soll ihn nicht daran hindern, es zu versuchen. So möchte er den vielen neuen Kirchenpflegerinnen und -pflegern Mut machen, etwas zu bewegen.

Karin Müller, 29. Mai 2017

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