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Kirchen können Lücke nicht füllen

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27.09.2017
Mit zwei Dritteln der Stimmen hat sich der Kanton Zürich deutlich für einen Sozialhilfestopp für vorläufig Aufgenommene ausgesprochen. Die Kirchen reagieren auf das klare Verdikt mit Betroffenheit. Wie es konkret weitergehen soll, wissen sie vorerst nicht.

Über 67 Prozent der Stimmenden votierten am Wochenende dafür, dass vorläufig aufgenommene Ausländer im Kanton Zürich keine Sozialhilfe mehr, sondern nur noch Asylfürsorge erhalten sollen. Das Verdikt ist deutlich. Und auch eine Niederlage für die Kirchen, die sich im Vorfeld der Abstimmung für ein Nein zur Vorlage eingesetzt haben. Bernhard Egg, im reformierten Kirchenrat für Diakonie und Soziales zuständig, zeigt sich sehr enttäuscht vom Resultat. «Der Entscheid ist ein Nichtwillkommenssignal. Man will Menschen, die bei uns vorläufig leben, wegschicken.» Flüchtlinge, die mit Sicherheit auf Jahre hinaus nicht in ihre Heimat zurückkehren könnten, würden deutlich schlechter gestellt. Das gefährde ihre Integration und beeinträchtige ihre Perspektive auf einen selbstbestimmten Lebensentwurf.

«Schlechter Tag für die Menschlichkeit»
Wie kam es zu diesem Stimmungsumschwung in der Bevölkerung? 2011 hatte das Zürcher Stimmvolk noch mit über sechzig Prozent Ja-Stimmen die Einführung von Sozialhilfe gutgeheissen. Bernhard Egg sieht diesen Stimmungswechsel als Folge islamistischer Anschläge in den vergangenen Monaten wie auch aufgedeckter und breit diskutierter Skandale – etwa um den Hassprediger in Biel, der jahrelang Sozialhilfe bezog.

Enttäuscht vom Ausgang der Abstimmung ist auch Josef Annen, Generalvikar der katholischen Kirche. In seiner Reaktion zum Abstimmungssonntag spricht er von einem «schlechten Tag für die Menschlichkeit im Kanton Zürich». Die Gründe für den Ausgang ortet er darin, dass im Abstimmungskampf die Themen Sozialhilfe und Ausländerpolitik miteinander vermischt worden seien. Mit dem Rückgang der Flüchtlingswelle habe sich auch die Wahrnehmung verändert. Vor dem Krieg Geflüchtete können aus verschiedenen Gründen nicht heimgeschickt werden. Integration brauche aber Zeit und dauere erfahrungsgemäss mindestens fünf Jahre. Nun habe sich die Zürcher Bevölkerung für einen Integrationsstopp entschieden, noch bevor die Massnahmen sich als erfolgreich erweisen konnten.

Appell an Politiker
Wie weiter? Leidtragende des Entscheids sind Ausländer mit F-Ausweis, Geflüchtete,  die nicht zurückkehren können. Vor der Abstimmung hatten die Kirchen geschrieben, sie könnten, wenn der Kanton die Rahmenbedingungen für vorläufig Aufgenommene deutlich verschlechtere, «die Lücke nicht füllen». «Die Kirche soll nicht Staat spielen, indem sie fürsorgerische Leistungen von diesem übernimmt», sagt Bernhard Egg. Die Kirchen müssten weiterhin ihre diakonische Arbeit gut machen. Zum Beispiel, indem sie darauf achten, gute freiwillige Helfer zu rekrutieren, welche professionelle Integrationsarbeit leisten könnten, etwa bei den Deutschkursen für Ausländer.

Auch Josef Annen hat kein neues Rezept, wie die Herausforderungen der Integration, die künftig noch grösser sein werden, zu bewältigen sind. «Als Kirche halten wir unsere Bemühungen aufrecht und engagieren uns weiterhin mit zahlreichen Freiwilligen,» sagt der Generalvikar. Die durch einen politischen Entscheid aufgerissene Lücke sei tief und könne nicht einfach gefüllt werden. «Trotzdem tun wir unser Bestes, um die Würde der betroffenen Menschen zu schützen und die Integration zu unterstützen.» Man werde das Engagement wie bisher fortsetzen und, wo möglich, ausweiten. Annen appelliert eindringlich an die politisch Verantwortlichen, «neue Lösungen zu finden, welche die Integration von vorläufig Aufgenommenen auch zukünftig ermöglicht. Wie es konkret weitergehen könnte, so Annen, habe der Zürcher Stadtrat Raphael Golta programmatisch skizziert: Gemeinden, Kirchen und Hilfswerke müssten nun zusammensitzen und nach Lösungen suchen.

Stefan Schneiter, reformiert.info, 26. September 2017

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