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Hitziges Reden über Heilige

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21.11.2017
Schluss wars mit dem heiligen Bimbam. Zwingli stürzte die Nothelfer und die Anbetung der christlichen Märtyrer. Nun stellten Pedro Lenz, Peter Rothenbühler und die Benediktinerin Irene Gassmann in einer «Disputation» die alten und modernen Heiligen auf den Prüfstand und diskutierten ihre Bedeutung für die Gegenwart

Im Januar 1523, als im Zürcher Rathaus die grosse Eröffnungspartie mit der ersten Disputation stattfand, war es kalt. Auch als Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist im Angedenken an den reformatorischen Urknall am 20. November in die Helferei einlud, hüllte sich das zahlreich erschienene Publikum in Winterjacken. Manche Besucher der ökumenischen Veranstaltung kommentierten die kühle Raumtemperatur schnippisch mit dem Wörtchen «zwinglianisch». Hausherr Sigrist sagte denn in seiner launigen Begrüssung, dies nun nicht «religiös-konfessionell zu übersteuern». Die Heizung sei ausgestiegen und man könne sich nun bei einer «heissen Disputation» in Hitze reden. Tatsächlich brannte das Thema Heilige schon vor 500 Jahren Zwingli unter den Nägeln. Der Weg des Menschen zu Gott sollte nur durch Glaube, Gnade und Christus geebnet werden, aber nicht durch die Vermittlerrolle der Heiligen.

Gut reformiert fragte Sigrist die Benediktinerin Irene Gassmann als Erstes: «Mit welchem Heiligen haben Sie am meisten Mühe?» Flapsig gab die Priorin des Kloster Fahr zurück: «Das ist eine unheimlich blöde Frage.» Für sie seien Heilige Vorbilder, Freunde und Wegbegleiter. Heilige hingegen, die ihr Mühe machten, «sind bei mir nicht auf dem Radar». Sie verwies auch darauf,  dass das Heilige in allen Menschen angelegt sei.

Sigrist stellte fest, dass man hier ökumenisch nicht weit auseinander liege. Er wollte aber noch wissen, ob Antonius als Nothelfer bei ihr hoch im Kurs stehe. Gassmann bekannte sich zum lebenspraktischen Nothelfer bei Schlamperei und Vergesslichkeit, den sie oft anrufe.

Noch Heiliger
Auch Schriftsteller Pedro Lenz legte sein unverkrampftes Verhältnis zu den Heiligen offen. Dem Katholiken, aufgewachsen im protestantischen Kanton Bern, glänzten schon als Bub die Augen, wenn ihm vom Heiligen Martin erzählt wurde. Heute sagt er sich aber: «Hätte Martin doch den ganzen Mantel gegeben.» Er wünscht sich die Heiligen noch ein wenig heiliger.

Peter Rothenbühler, früher Chefredaktor der Schweizer Illustrierten und dort bis heute mit seinen Kolumnen präsent, wurde von Sigrist als Sachwalter aller säkular-modernen Heiligen angekündigt. Aber der Celebrity-Experte wollte die Schweizer Promis nicht heilig sprechen. «Meist fehlt ihnen die tiefere, geistige Dimension.» Als modernen Heiligen dagegen akzeptiert er Papst Franziskus. Dessen starker Glauben gepaart mit dem Einstehen für die Armen imponiert ihm. Ansonsten gab der Pfarrerssohn Rothenbühler den beinharten Reformierten und brachte im Gespräch die Scheinheiligen aufs Tapet.

Pio – der Scharlatan
Dafür steht für ihn der umstrittene Wunderheilige Pio, der für manchen Italiener populärer ist als Jesus oder Maria. Dass ihm auch die neapolitanische Mafia huldige, Pio ein vertrautes Stelldichein mit dem Diktator Mussolini hatte und dass sein süditalienischer Wirkungsort San Giovanni Rotondo ein Rummelplatz des unheiligen Kommerzes sei, prangerte Rothenbühler an. Er forderte ein modernes Verständnis von Heiligen, deren Legenden wunderbar zu erzählen seien, denen aber in der Moderne kein Wunderglaube angedichtet werden dürfe. «Pater Pio, der immer wieder seine blutenden Hände als Wundmale Jesu vorzeigte, ist ein Scharlatan.»

Die Priorin Irene Gassmann brachte dies nicht aus der Ruhe. Seelenruhig betonte sie, dass sie an Wunder glaube. Wenn auch nicht Pater Pio in ihrem Heiligenkosmos eine Rolle spielt, so seien doch die Stigmata von Franziskus von Assisi für sie glaubhaft.  «Ich glaube an Wunder, an Phänomene, die wir uns nicht erklären können», bekannte sie freimütig.

Hingabe statt Opfer
Wenn auch Märtyertod und Wunderglaube Rothenbühler ein Gräuel sind, eines zeichne die Heiligen positiv aus: ihre Opferbereitschaft. Sigrist nahm den Ball auf und fragte den «modernen Heiligen» Pedro Lenz, ob er ein Opfer erbringe.  Lenz schüttelte den Kopf und betonte: «Ich will mich nicht für die Kunst opfern.» Sein Leben so in den Dienst einer Gemeinschaft zu stellen, wie dies Irene Gassmann vorlebe, sei ihm nicht möglich. Die Priorin stellte klar: Nicht ein Opfer bringe sie, sondern sie wolle Jesus Christus dienen - «mit Hingabe». Hingabe ist für sie das Schlüsselwort für ein «Leben in Fülle». Als dann zum Schluss Peter Rothenbühler in Aussicht stellte, sich zusammen mit seiner Frau im Kloster Fahr Exerzitien  zu unterziehen, winkte die Priorin ab: «Leider muss ich Sie enttäuschen. Unterm Klosterdach dürfen nur Frauen wohnen.»  

Delf Bucher, reformiert.info, 21. November 2017

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