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Warum Tiere Kirchen spitze finden

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12.08.2018
Die Renovation des Kirchturms Uetendorf wird pausiert – weil dort Mauersegler brüten. Der Entscheid ist richtig: Kirchen sind wichtige Vogel- und Fledermausbiotope.

Der Kirchturm in Uetendorf bei Thun muss saniert werden. Diesen Sommer wurden die Arbeiten angegangen, 62'000 Franken investiert die Kirchgemeinde. Doch jetzt ist bereits wieder Pause. Dem Bauführer fiel auf, dass immer wieder Vögel hinein- und hinausflogen.

Er informierte den örtlichen Natur- und Vogelschutzverein, dieser stieg mit dem Sigristen in den Turm, und die Kirchgemeinde schliesslich verfügte die Baupause. Denn bei den Vögeln handelt es sich um brütende Mauersegler, einen der grössten Flugkünstler hierzulande.

Segler fliegen auf Kirchtürme
Bei der Fach- und Beratungsstelle Oeku (Kirche und Umwelt) findet dieses Vorgehen Lob. «Vor allem für Mauer- und Alpensegler sind Kirchtürme wichtige Brutorte», sagt die Biologin Claudia Baumberger von Oeku. So sei beispielsweise das Berner Münster bereits seit etwa 1580 ein Brutplatz für Alpensegler. Und die grösste Alpensegler-Kolonie der Stadt Zürich hat ihr Zuhause hinter den Zifferblättern des Fraumünster-Turms.

Diese sommers in warmer Luft manchmal laut trillernden Vögel gleichen mit den typischen sichelförmigen Flügeln und der dunklen Färbung den Mauerseglern, sind aber noch grösser und haben ausgewachsen einen weissen Bauch. 80 Prozent des Schweizer Bestandes nisten in Gebäuden, oft in Kirchen.

Letzte Refugien für seltene Arten
Unter anderem das steht im Umwelthandbuch für Kirchgemeinden «Es werde grün». Es veranschaulicht auf 152 Seiten vor allem eines: Kirchliche Gebäude und ihre Umgebung können geradezu Paradiese sein für Fauna und Flora. Und im Hinblick auf ein paar Arten bieten sie sogar praktisch die letzten Überlebensmöglichkeiten in der Schweiz.

«Beispielsweise für die Mausohren, Langohren und Hufeisennasen sind Kirchen sehr bedeutend», sagt Claudia Baumberger. Diese rar gewordenen Fledermäuse brauchen grosse, zugängliche und doch durchzugsfreie Dachstöcke als sogenannte Wochenstuben. Denn hier bringen viele Weibchen zusammen von Mai bis September ihre Jungen zur Welt und ziehen sie auf. «Privathäuser werden immer öfter bis unters Dach saniert. Umso wichtiger sind die wenigen verbleibenden Quartiere», erklärt Baumberger die Bedeutung der Kirchen.

Fledermauskot als Gartendünger
Idealerweise werden die Zugänge für Fledermäuse nachts nicht beleuchtet. In Dägerlen (ZH) beispielsweise bietet zudem ein Sandanstrich auf den Lamellen der Läden besseren Halt. Und in Mandach (AG) kann gar Fledermauskot als hervorragender Gartendünger gekauft werden. Die Fledermausquartierbetreuerin und Jugendliche sammeln ihn jeweils zusammen.

Mandach beherbergt die grösste Kolonie des Grauen Langohrs, eine vom Aussterben bedrohte Art, wie es im Umwelthandbuch von Oeku heisst. Die zahlenmässig grössten Kolonien bilden Mausohren, und zwar mit rund 1000 erwachsenen Weibchen in den Kirchen von Surrein, Fläsch (beide GR) und Veltheim (AG). Ob reformiert oder katholisch, ist den Tieren übrigens egal.

Leben im Reich der Toten
Egal ist der höchst lebendigen Fauna und Flora auch, wenn ihr Lebensraum den toten Menschen geweiht ist. So bilden nicht nur kirchliche Gebäude wertvolle Biotope, sondern ebenso die Aussenräume wie beispielsweise Friedhöfe. Bedingung: Die Gestaltung und Bewirtschaftung erfolgt nach ökologischen Kriterien.

Bern etwa trumpft mit Trockenmauern und Steinhaufen auf, die Eidechsen anziehen. Nistkästen und amphibienfreundliche Tümpel locken weitere Arten an. So sind die Stadtberner Friedhöfe zu Glühwurmparadiesen geworden, und auf einer bloss einmal jährlich gemähten Feuchtwiese wachsen geschützte Orchideen. Und – ebenfalls wichtig – es wird über die in manchen Augen «unordentliche» Natur informiert: Auf Schildern beschreibt das Amt Stadtgrün Bern, warum es was macht.

Marius Schären, reformiert.info, 10. August 2018

Weitere Informationen und Umwelthandbuch

Liste guter Beispiele («Good practices») als PDF

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