Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Am Lebensende begehren sie nochmals auf

min
24.11.2021
Im Stück «Addio amor» sinnieren alternde Schauspieler kurz vor ihrem Tod über das Leben und mobilisieren nochmals trotzige Lebenskräfte. Premiere ist am 1. Dezember in Zürich

«Addio Leben» müsste das Theaterstück eigentlich heissen. «Doch das ist kein Titel», sagt Adrian Marthaler. Der Produzent, der auch schon Rossinis «Guillaume Tell» am Opernhaus Zürich inszeniert und fast 40 Jahre beim Schweizer Fernsehen unter anderem als Programm- und Kulturchef gearbeitet hat, bringt «Addio amor» auf die Bühne. Und darin spielen alte Menschen eine Hauptrolle. Es sind Schauspielerinnen und Schauspieler zwischen 65 und 84, die in einer Seniorenresidenz leben und von einer jungen Pflegefachfrau umsorgt werden.

Das Haus soll bald abgerissen werden, doch davon merken die Bewohnerinnen und Bewohner vorerst nichts. Erst als die Pflegefachfrau unerwartet stirbt, wird ihnen bewusst, dass auch sie am Ende des Lebens stehen. «Sie merken, dass sie eingeschlossen sind in ihrer letzten Lebensstation», sagt Marthaler. Also beginnen sie, Dinge zu tun, die sie sich früher nicht getraut hätten. Es ist ein Aufbegehren bis hin zur Leichtigkeit und Heiterkeit, als ob es nichts mehr zu verlieren gäbe, wie es auf der Website des Bühnenprojekts heisst.

«Das Stück hat durchaus auch burleske Züge, ergänzt Marthaler. «Die Menschen dort sind nicht einfach nur bemitleidenswert.» So schlägt beispielsweise am Ende effektiv eine Abrissbirne ins Gebäude ein. «Was wiederum etwas Surreales hat, denn die Bewohnerinnen und Bewohner hätten ja auch einfach gehen können», sagt der Produzent. 

Internationale Karriere
Die mitwirkenden Frauen und Männer sind auch im echten Leben Schauspielerinnen und Schauspieler. Sie standen auf grossen internationalen Bühnen und blicken auf eine lange Karriere zurück. Es sind dies neben der 33-jährigen Lisa Bärenbold, Tochter von Drehbuchautorin Katja Früh, welche die Pflegefachfrau spielt, auch Urs Bihler, Barbara Falter, Klaus Henner Russius, Siggi Schwientek, Maja Stolle, Suzanne Thommen und Hansrudolf Twerenbold.

Als Adrian Marthaler die Schauspielerinnen und Schauspieler für die Rollen in «Addio amor» anfragte, sagten alle sofort zu, als hätten sie nur darauf gewartet. Sie brachten eigene Erfahrungen, Erlebnisse und Erinnerungen ein. Auf deren Grundlage hat Autorin Katja Früh das Stück dann geschrieben. Über die Themen Alter, Tod oder Religion sprechen sie zwar nicht explizit. «Aber sie philosophieren durchaus über das Thema Zeit», sagt Marthaler.

«Spielfreudig wie Kinder»
Ende Oktober hat der deutsche Regisseur Klaus Hemmerle mit den Proben begonnen. «Eine schöne neue Erfahrung», sagt er, der selbst auch Theaterschauspieler ist. Die älteren Damen und Herren seien einerseits «wahnsinnig erfahren und gleichzeitig spielfreudig wie Kinder». Sie könnten das gelebte Leben auf sehr lebendige Art vermitteln. Auch wüssten sie meist schnell, was er von ihnen wolle, hätten aber durchaus auch ihre eigenen Vorstellungen.

Als Wohngemeinschaft gedacht
Das Bühnenprojekt entstand, weil ein anderes Projekt scheiterte. Und zwar hatte sich eine Gruppe Kulturschaffende und Psychiatriepflegende überlegt, wie man das ehemalige Kirchgemeindehaus Neumünster im Riesbach-Quartier künftig nutzen könnte. Sie wollten eine Wohngemeinschaft für ehemalige Kulturschaffende realisieren. Doch das liess sich aus finanziellen und architektonischen Gründen nicht realisieren.

Also beschloss die Gruppe, das Thema Altwerden und Altsein in einem Theaterstück aufzunehmen. Sie gründete den Verein «s’Cabaret», dessen Ziel es ist, in Zusammenarbeit mit älteren Kulturschaffenden öffentliche Veranstaltungen zu realisieren. Das Geld für die Produktion stammt ausschliesslich von Stiftungen und privaten Gönnern. Am 1. Dezember feiert «Addio amor» im Kulturmarkt in Zürich Premiere und ist bis am 11. Dezember zu sehen.

Nadja Ehrbar, reformiert.info

Unsere Empfehlungen

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Ostern ist der höchste Feiertag für die Christenheit. An diesem Tag feiern die Gläubigen die Auferstehung des Herrn. Doch wer in diesen Tagen die Läden betritt, stellt rasch fest: Der eigentliche Star heisst Meister Lampe. Wie kommt das Christentum zu den Eiern und den Hasen?
51 Jahre für die Musik

51 Jahre für die Musik

Als 15-Jährige spielte Elisabeth Schenk erstmals in einem Gottesdienst. Der Winznauer Pfarrer hatte sie angefragt. Aus diesem Auftritt wurden 51 Jahre, in denen Schenk die Kirch­gemeinde musikalisch begleitete.
Mani Matter: Die Menschen haben Gott vergessen

Mani Matter: Die Menschen haben Gott vergessen

50 Jahre nach Mani Matters Tod zeigen neue Dokumente: Der Chansonnier war auch ein Gottsucher und plante gar eine «Verteidigung des Christentums». Der Revoluzzer und gedankliche Querschläger war zwar ein Kritiker der Kirche, setzte sich aber für die Bewahrung des christlichen Fundaments ein.