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Pfarrer Haiko Behrens verlässt Dornach

Der Weltbürger kehrt heim

von Tilmann Zuber
min
15.09.2023
Haiko Behrens, Pfarrer in Dornach und Synodalrat, ist zurückgetreten. Nach zwanzig Jahren in den USA und der Schweiz kehrt er in die Stadt seiner Jugend zurück: nach Düsseldorf. Im Interview blickt Behrens auf seine Zeit in der Fremde zurück.

Wenn Haiko Behrens spricht, fallen drei Dinge auf: sein Hamburger Zungenschlag (der Hamburger snackt), sein wohltuender Humor und seine Kreativität. Doch damit ist es in der Kirchgemeinde Dornach bald vorbei. Denn Behrens hat seine Pfarrstelle gekündigt und kehrt zurück nach Düsseldorf. Dort hat der gebürtige Hamburger seine Jugend verbracht, mit der Stadt am Rhein verbindet der 53-Jährige viele schöne Erinnerungen. Eigentlich liege seine neue Pfarrstelle etwas ausserhalb der Metropole in der Gemeinde Hiden, räumt er ein, aber den Ort kenne man eigentlich nur wegen der Stau­meldungen am Hidener Kreuz.

Nach 21 Jahren im Ausland sei es für ihn und seine Frau an der Zeit für einen Ortswechsel. Er gehe mit einem Gefühl der Dankbarkeit, sagt er mehrmals im Gespräch. Die Zeit in den USA und in der Schweiz habe ihm viel gegeben und viel gelehrt.

Von der Metropole ins Bergdorf

Haiko Behrens wurde als Sohn einer Pastoren­familie in Hamburg geboren. Nach dem Theologiestudium ging er in die USA, zunächst nach Warren (Michigan) und dann für fünf Jahre nach New York. Weil sich seine Gemeinde verspekuliert hatte, kehrte Behrens nach Europa zurück. 2012 zog der Norddeutsche mit seiner japanischen Frau ins Mittelschanfigg bei Arosa. Später nahmen sie die Pfarrstelle im solothurnischen Dornach an.

Der Sprung von der Metropole New York in ein Schweizer Bergdorf sei für alle Beteiligten eine Herausforderung gewesen, scherzt Behrens. Interkulturell sei er wohl oft ins Fettnäpfchen getreten. Die Bergler hätten «ein grosses Herz und verzeihen den Fremden viel», erzählt der Pfarrer. Vielleicht lag es auch daran, dass in der Gegend viele Ausländer lebten. Allein in seiner Nachbarschaft gab es drei Düsseldorfer, in deren Keller ein Kasten Altbier lagerte. In Graubünden unterrichtete Haiko Behrens Religion, später auch Englisch. «Hier konnte ich meine Leidenschaft als Lehrer ausleben», sagt er.

Behrens schätzt das archaische Leben der Einheimischen, ihren Stolz auf Sitten und Bräuche und die Schönheit der Natur. Manchmal wunderte sich Behrens über den helvetischen Kleinstföderalismus. Als der 30-Seelen-Weiler Carlfreisen in Arosa eingemeindet werden sollte, gründete man einen Kulturverein, um die Carlfreisener Eigenheiten zu verteidigen.

In der katholischen Diaspora

In Dornach erlebte Haiko Behrens eine andere reformierte Kirchgemeinde, die sich in einem katholischen und anthroposophischen Umfeld bewähren musste. Das Stichwort hiess Gemeindeentwicklung. Behrens nahm das ernst und erklärte seinen 1600 Gemeindemitgliedern, dass er sie gerne besuchen würde. Sie müssten sich nur melden.

Drei Reaktionen kamen zurück. Der Pfarrer besuchte die Leute, der Erste erzählte ihm von seinem Ärger mit der Kirche, der Zweite sagte, er habe keine Zeit für die Kirche, und der Dritte fühlte sich in der Freikirche sehr wohl. Wenn die Menschen so wenig Interesse an der Kirche zeigten, sei es schwierig, die Gemeinde aufzubauen, stellt der Pfarrer fest. Haiko Behrens musste zur Kenntnis nehmen, dass die Kirche ein Anbieter unter vielen ist, gerade in der Jugendarbeit und der Freizeitgestaltung seien ihre Angebote nicht mehr exklusiv. Mit Sorge bemerkt der Pfarrer, dass es vielerorts an theologischem und kirchlichem Grundwissen mangelt. Die Säkularisierung sei weit fortgeschritten.

Die Kirche darf ruhig etwas mutiger auftreten und ‹sich schmutzig machen›, auch politisch.

In den USA und in der Schweiz erlebte Haiko Behrens zwei völlig unterschiedliche Kirchen. In Amerika traf der Pfarrer auf kreative, leidenschaftliche Gemeinden. Die USA seien ein Land, das einen emotional sehr mitnehme, während in der Schweiz politisch und gesellschaftlich wenig passiere, was einen bewege, so Behrens. Die Kirche dürfe ruhig etwas mutiger auftreten und «sich schmutzig machen, auch politisch», sagt Behrens. Nicht parteipolitisch, aber indem sie sich stärker für die Schwachen einsetze und Haltung zeige. «Ab und zu braucht es ein klares Wort.»

Beeindruckt hat Behrens in den USA das starke Gottvertrauen, mit dem die Menschen den rauen Zeiten begegnen. Er habe in den USA vieles erlebt, was ihm zu Herzen gegangen sei. Er begleitete schwer kranke Menschen, die keine Hilfe bekamen, weil sie keine Krankenversicherung hatten. Er besuchte Insassen im Gefängnis und Arbeitslose, die von einem Tag auf den anderen ihren Job verloren hatten. «Die Amerikaner leben in einer Unsicherheit, die wir in Deutschland und der Schweiz nicht kennen», sagt der Pfarrer.

Manche Schicksale begleiten Behrens bis heute. Zum Beispiel, als er eine 46-jährige Mutter beerdigen musste, die an Gebärmutterhalskrebs gestorben war. Sie konnte sich keine Vorsorgeuntersuchung leisten. Ihre zwei Kinder im Alter von 10 und 12 Jahren und ihr arbeitsloser Mann standen bei der Abdankung vor ihm, Haiko Behrens tat dies unendlich leid.

Solche Erfahrungen nimmt Haiko Behrens aus seiner Zeit in den USA und der Schweiz mit nach Hiden. Von der Schweiz werde er die direkte Demokratie vermissen, die wunderbare Lebensqualität, das gute Wetter und all die Menschen, die er schätzen und lieben gelernt habe. Der Schweizer Kirche wünscht der Pfarrer Mut und Freude am Wort und an den Menschen.

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