Öffentlicher Frieden des Landes gefährdet?
«Wird die Errichtung minarettartiger religiöser Machtsymbole widerstandslos geduldet, stellt sich ernsthaft die Frage, ob der Volkswillen hintertrieben und der öffentliche Frieden dieses Landes gefährdet wird», sagt Beuchat. Das Egerkinger Komitee und die SVP Stadt Bern beobachteten mit Sorge, dass muslimische Verbände gezielten Lobbyismus – eine «Politik der kleinen Schritte» – betrieben, um Sonderrechte zu erwirken und öffentliche Machtsymbolik zu postulieren.
Das Minarettverbot existiert ohne Zweifel. «Der Bau von Minaretten ist verboten», hält der Artikel 72 Absatz 3 der Bundesverfassung lapidar fest. Bisher sei er nicht zur Anwendung gekommen, sagt Andreas Stöckli, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Uni Freiburg: «Soweit ich die Rechtsprechung überblicken kann, gibt es bisher keine publizierten Urteile von kantonalen oder nationalen Gerichten zur Frage, was unter einem Minarett im Sinne des Verbots zu verstehen ist.» Baurechtliche Urteile zum Bau von Minaretten gebe es – allerdings seien sie vor der Annahme dieses Verfassungsartikels gefällt worden.
Definition für Minarett fehlt
Dass die Initiative nicht klar macht, was unter einem Minarett zu verstehen ist, stellte bereits der Bundesrat in seiner Botschaft 2008 fest. Und ergänzte gleich selbst: «Das Minarett lässt sich definieren als Turm einer Moschee, von dem der Muezzin die Gläubigen zum Gebet ruft.» Dann präzisierte er aber: Dem Willen des Initiativkomitees «zweifellos näher» käme eine Definition des Minarettes als «Turm, der eine religiöse Funktion hat und in eine Moschee eingefügt ist oder an diese angrenzt».
Und dann geht der Bundesrat noch weiter: Nicht einmal die religiöse Funktion sei für die Initianten notwendig. Denn sofern das Minarett «als mutmassliches Symbol für die Vereinnahmung der Schweizer Gesellschaft durch den Islam wahrgenommen wird, verringert sich der Symbolwert nicht unbedingt, wenn das Minarett keine religiöse Funktion hat.»
«75 Zentimeter ist kein Turm»
Ist für das Haus der Religionen also doch ein verbotenes Minarett geplant? Mustafa Memeti, Imam des Muslimischen Vereins Bern, nannte im Schweizer Radio SRF die Bezeichnung der Kuppel als Minarett «irrational». Das Haus der Religionen stellt ebenfalls klar: «Wir halten uns an die Verfassung und das Minarettverbot: Ein Symbol von 75 Zentimeter ist kein Turm und deshalb auch kein Minarett», sagt die Kommunikationsverantwortliche Anne Hampel. Die Einsprache sei abwegig, aber: «Wir sind aber sehr daran interessiert in den Dialog zu treten, was die Auslegung der Behörden betrifft.»
Mehr als das Gerüst für die Kuppel fällt zurzeit ein bunter Aufbau rechts davon ins Auge. «Das ist ein Gopuram, der Torturm des Hindutempels, der aus dem Tempeldach hinausragt», erklärt Anne Hampel. Dessen Umsetzung sei bereits zur Eröffnung des Hauses erfolgt, «deutlich kleiner» als ursprünglich geplant. Und aus Rücksicht auf die Gemeinde habe man auf den üblichen Glockenturm verzichtet. So wie der Innenraum des Hindutempels darunter, der Innenraum der Moschee daneben und wie es auch bei der Kuppel geplant sei, werde der Aufbau nachts «mit gedämpftem Licht» beleuchtet.
«Dialog heute wichtiger denn je»
Wie die Kuppel für die Moschee und sollte der Aufbau für den Hindutempel auch zeigen, «dass sich an dieser Stelle ein Tempel befindet und somit zum Dialog einlädt», sagte Anne Hampel. Und: «Dass der Dialog als zentrales Element unserer Arbeit heute wichtiger denn je ist, zeigt die vorliegende Einsprache.» Umso wichtiger ist es, Menschen den Dialog der Kulturen zu ermöglichen. Die bis am 23. Juni dauernde «Fête KultuRel» sei eine «wunderbare, aktuelle Gelegenheit», findet sie.
Marius Schären, reformiert.info, 21. Juni 2019
75 Zentimeter hohe öffentliche «Machtdemonstration»