90 Jahre Zwinglihaus: «Wir sind offen für alle»
«Am Zwinglihaus verstehen wir uns als gastgebende Kirche in der Stadt. Wir bieten Raum für die Erfahrung, dass Gott freundlich ist», sagt Andreas Möri, Gemeindepfarrer und Studienleiter beim Forum für Zeitfragen. «Wir bieten Bildung und Begegnung und sind offen für alle, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Mit unseren Veranstaltungen und Feiern fördern wir einen zeitgemässen Zugang zum Glauben.» Es sei wichtig, dass das Zwinglihaus auch als Ort der Bildung und als soziokulturelles Zentrum wahrgenommen werde, ist Möri überzeugt. Die Ausrichtung als gastgebende Kirche sei in den vergangenen fünf Jahren zum zentralen Inhalt geworden. Die «Software» des Hauses habe sich damit etabliert.
Als Beispiele für das Miteinander im Haus nennt Andreas Möri den Gospelgottesdienst Good News, das Format «Im Gespräch – interreligiös» sowie die Institutionen GundeliLudothek, das «Tischlein deck dich» und das Backwaren-Outlet, das sich den Kampf gegen Food-Waste auf die Fahne geschrieben hat. Im Zwinglihaus ebenfalls domiziliert sind das Kompetenzzentrum für kirchliche Erwachsenenbildung, Forum für Zeitfragen, die Stiftung Christlich-Jüdische Projekte (CJP) und das Bildungsprojekt «religionen_lokal».
Im Bauhaus-Stil
Die «Hardware», also die Hülle des Gebäudes, war nicht immer so unbestritten wie die «Software». 1931/1932 nach den Plänen des Architekten Willi Kehlstadt im Bauhaus-Stil errichtet und am 2. Oktober 1932 mit Namensgebung des Reformators Huldrych Zwingli eingeweiht, gab der Neubau im Vorfeld Anlass zu hitzigen Diskussionen. In den Quellen stellt Pfarrer August Waldburger der kirchlichen Baukommission die rhetorische Frage: «[...] haben wir ein Beispiel moderner Kunst zu bauen oder einen gottesdienstähnlichen Raum, der für das Kirchenvolk geniessbar, ja es in religiöse Stimmung versetzend wirkt?» Und zum Dekor der Mattglasscheiben, die Kehlstadt vorsah, schreibt er: «[...] und die in Urinfarbe getauchte Eintönigkeit des Raumes wird das Gegenteil hervorrufen, wird abstossen, zum Spott reizen [...]» Weiter meint der Pfarrer: «Wir dürfen nicht ein ganz neues, noch nirgends so ausgeführtes Experiment machen, sondern müssen dem einfachen Volksempfinden entgegenkommen.» Ein Gegenvorschlag zur «freundlicheren» Gestaltung des Kirchensaals wurde von Architekt Kehlstadt und dem Kirchenrat in der Folge allerdings abgelehnt.
Inzwischen ist die Polemik längst verflogen. Seit 1996 steht das Zwinglihaus zudem unter Denkmalschutz. Einem einträchtigen Fest steht also nichts mehr im Weg. «Wir hoffen, dass uns am 29. Oktober viele Interessierte besuchen werden und mit uns eine gute Zeit verbringen», sagt Pfarrer Andreas Möri. «Das Festprogramm bietet jedenfalls einiges. Es lohnt sich, für ein paar Stunden vorbeizuschauen!
Toni Schürmann
90 Jahre Zwinglihaus: «Wir sind offen für alle»