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Frauenstimmrecht: Als die Kirche der Politik voraus war

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29.01.2021
2021 feiert die Schweiz 50 Jahre Frauenstimmrecht. Die reformierten Kirchen waren der Politik damals voraus: Sie hatten das Frauenstimmrecht schon längst eingeführt.

«Die Frau schweige in der Gemeinde.» Das sogenannte apostolische Gebot wurde Jahrhunderte lang in Kirche und Politik gebetsmühlenartig als Argument gegen das Frauenstimmrecht herangezogen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beginnt diese Ideologie zu bröckeln. In den reformierten Kirchen fasst das Frauenstimmrecht Fuss, als es in der Politik noch kategorisch ausgeschlossen wird.

Die Romandie beginnt
Der Prozess beginnt in der Romandie: 1908 und 1910 stimmen die reformierten Kirchen der Kantone Waadt und Genf dem aktiven Wahlrecht für Frauen zu. In den gleichen Jahren wird in Neuenburg, Basel-Stadt, Zürich, Bern und Graubünden über die Mitsprache der Frauen im kirchlichen Leben öffentlich diskutiert.

Dahinter steht die unermüdliche Lobbyarbeit engagierter Stimmrechtskämpferinnen. Das Mitspracherecht in Kirche, Schulbehörden und Armenpflege sind wichtige Etappen auf dem langen Weg zur politischen Gleichberechtigung.

Baselland folgt 1952
In der reformierten Kirche Baselland erhalten die Frauen das aktive und passive Wahlrecht mit der Einführung der neuen Kirchenverfassung 1952 – «ohne Diskussion und gleichsam stillschweigend», schreibt Jeannette Voirol. Die Historikerin hat zum 50-jährigen Jubiläum der Baselbieter Kirche im Buch «zwischenzeit» die Geschichte der Frauenrechte aufgearbeitet.

Über die widerspruchslose Einführung des Wahlrechts für Frauen wundern sich einige Kirchenvertreter. «Wenn man lesen konnte, wie lange und lebhaft in der Zürcher Synode über das Wahlrecht der Frau diskutiert wurde, so gehört es zu den Merkwürdigkeiten der ersten Lesung unserer Verfassung, dass zu diesem Paragrafen kein einziger Verfassungsrat das Wort verlangt hat», staunt etwa der damalige Konventspräsident Pfarrer Georg Hoch.

Über die Gründe rätselt man: «Ob es die innere Überzeugung sei, dass wenigstens einmal in dieser Hinsicht etwas Entscheidendes gehe? Ob die Gegner aus Angst, mit ihrer Opposition als rückständig angesehen zu werden, schwiegen? Oder ob sich manche sagten, die Sache der Kirche sei ja heute weithin eine Sache der Frauen geworden, und darum wolle man ihnen auch das Stimmrecht überlassen?», fasst Jeannette Voirol die Mutmassungen zusammen.

Kanton zieht erst 1968 nach
Erst 16 Jahre später zieht der Kanton Baselland nach. Am 23. Juni 1968 nehmen die Baselbieter Männer im vierten Anlauf mit 9'374 zu 4'398 Stimmen das Frauenstimm und -wahlrecht an, das 1926, 1946 und 1955 gescheitert war. Damit ist Baselland nach Basel-Stadt der zweite Deutschschweizer Kanton, der die Frauen politisch zu gleichberechtigten Bürgerinnen macht. Nochmal drei Jahre später, am 7. Februar 1971, legt dann endlich auch auf nationaler Ebene eine Mehrheit der Männer ein Ja für das Frauenstimmrecht in die Urne.

Wenn jetzt überall das 50-Jahre-Jubiläum des politischen Frauenstimmrechts gefeiert wird, so hat die reformierte Kirche als Vorreiterin dazu beigetragen, es in weiten Gesellschaftskreisen mehrheitsfähig zu machen.

Stimmrecht ja, Pfarramt nein
Dass die Frauen das kirchliche Wahlrecht relativ früh erhalten, bedeutet aber noch lange nicht, dass sie auch im Kirchendienst den Männern gleichgestellt sind. Bis die Frauen gleichberechtigt ein Pfarramt übernehmen können, vergehen noch mehr als zehn Jahre. Ebenfalls 1952 wird in Liestal zum ersten Mal eine Stelle mit einer Pfarrhelferin besetzt. Die kürzlich verstorbene Elisabeth Böhme-Iselin, damals Gretler, übernimmt damit zwar sämtliche Funktionen ihrer männlichen Pfarrkollegen, hat aber noch nicht die gleichen Rechte wie diese. Erst 1965 beschliesst der Baselbieter Kirchenrat nach rechtlichen Abklärungen, das Pfarramt auch für Frauen einzuführen. 1966 wird Elisabeth Gretler als erste Pfarrerin im Kanton Baselland ins Amt gewählt.

Auch ein Sitz im Kirchenrat bleibt den Frauen trotz Wahlrecht noch lange verwehrt. Als erste Kirchenrätin nimmt 1965 die Tierärztin Esther Nabholz Platz und als zweite 1970 die Juristin Magdalena Rutz.

Karin Müller

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