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Premiere in der Kirchgemeinde Niederamt

Achtsamkeit als Schlüssel zur Lebensqualität

von Tilmann Zuber
min
24.10.2024
In Stüsslingen bieten die reformierte und die katholische Kirche erstmals gemeinsam Achtsamkeitsübungen an, um in der hektischen Welt Ruhe und Gelassenheit zu finden. Sie zeigen, wie Meditation und Stille das Leben bereichern können.

Montagabend in der Taufkapelle der Pfarrkirche Stüsslingen. Einige Besucher auf den Stühlen. Es herrscht Stille. Kerzen erhellen den Raum, der ansonsten im Dunkeln liegt. Der heutige Abend ist eine Premiere: Erstmals bieten die reformierte und die katholische Kirche im Niederamt Achtsamkeitsübungen mit Meditationsanleitung in der Stille an, jeweils am dritten Tag des Monats.

Achtsamkeit gewinne an Bedeutung, sagt Stefan Wagner, reformierter Pfarrer im Niederamt. Gemeinsam mit seinen katholischen Kolleginnen Anna-Marie Fürst und Andrea-Maria Inauen leitet er diese Übungen. Er selbst bemerkt, wie schwer es ihm fällt, im Alltag achtsam zu bleiben. Viele Gespräche und unzählige Mails fordern seine Aufmerksamkeit. «Die Gefahr, sich ständig ablenken zu lassen und sich zu verlieren, ist gross, besonders durch die zunehmende Digitalisierung», erklärt er. Man habe ständig das Gefühl, etwas zu verpassen, und jage dem 25. Katzenvideo hinterher. «Man spürt ein Defizit, wo keines ist, weil diese Impulse für unser Leben meist unwichtig sind.»

Stefan Wagner stärkt seine Achtsamkeit im Alltag, etwa bei Gehübungen mit seinem Maultier auf einem nahe gelegenen Reiterhof. Pferde seien sehr feinfühlig und merkten sofort, wenn man gestresst sei und gedanklich abschweife. «Dann bleiben sie stehen oder gehen ihren eigenen Weg.»

Meditative Übungen werden oft im Buddhismus verordnet. Dabei übersehen viele, welch reichen Schatz die christliche Tradition bietet.

Den Alltag abschütteln

Die Achtsamkeitsübungen in Stüsslingen orientieren sich am Herzensgebet: Der Abend beginnt mit einem spirituellen Impuls und Körperübungen, die helfen, den Alltag abzuschütteln und anzukommen. Danach folgt eine Viertelstunde Stille, in der man versucht, mit den Gedanken im Augenblick zu bleiben. «Gerade Anfängern fällt das Stillsitzen schwer», bemerkt Wagner. «Aber es geht nicht um Perfektion.» Anschliessend folgt eine Schrittmeditation, bei der die Besucher bewusst jeden Schritt setzen und abrollen. Am Ende entlässt ein Segen die Teilnehmenden in den Abend.

Viele verbinden Meditation mit fernöstlichen Religionen oder Esoterik. «Ja», bestätigt Stefan Wagner, «meditative Übungen werden oft im Buddhismus verordnet. Dabei übersehen viele, welch reichen Schatz die christliche Tradition bietet.» Jedes Gebet sei eine Meditation, die Halt und Geborgenheit schenkt. Christliche Exerzitien orientieren sich oft an solchen Gebeten, insbesondere am Herzensgebet. «Damit verbunden ist die Vorstellung eines immerwährenden Gebetes, das in den Atem übergeht.» Das fordere manchmal heraus, aber an den Abenden gehe es nicht um Perfektion, sondern darum, eine Oase der Ruhe und Stille zu schaffen.

Man geht bewusster durch den Alltag, erlebt mit neuen Augen und neuem Bewusstsein, wie schön und liebevoll die Welt gestaltet ist.

Gelassener werden

Für Stefan Wagner sind die Achtsamkeitsübungen in der Stüsslinger Kapelle ein Geschenk: «Sie holen einen aus dem Alltag heraus, man fühlt sich beschenkt und nicht mehr so gehetzt und gestresst. Achtsamkeitsübungen helfen, gelassener zu werden und das, was geschieht, liebevoller anzunehmen und zurückzugeben.» Achtsamkeit gibt einem ein Stück Lebensqualität zurück. Man geht bewusster durch den Alltag, erlebt mit neuen Augen und neuem Bewusstsein, wie schön und liebevoll die Welt gestaltet ist. Und wie jeder Tag neue Wunder mit sich bringt. Achtsamkeit ermöglicht es, zu erkennen, was das Leben letztlich ausmacht.

 

Zur inneren Quelle finden

Achtsamkeitsübungen mit Anleitung zur Stille – Medidation, jeweils am dritten Tag des Monats, 18.30 bis 19.15 Uhr, Taufkapelle der Pfarrkirche Stüsslingen. Interessierte sind eingeladen, einen alten christlichen Meditationsweg neu zu entdecken. Das Angebot ist offen für alle – für solche, die gerne einmal «schnuppern», wie auch für jene, die bereits Übung mitbringen.

Die Anleitungen orientieren sich am Buch «Praxis des Herzensgebets» von Andreas Ebert und Peter Musto, Verlag Claudius.

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