Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug
Weltbekanntes Tagebuch

Anne Frank: «Liebe Kitty…»

von Stanislaus Klemm
min
03.03.2025
Im Frühjahr 1945, vermutlich im Februar oder Anfang März, starb Anne Frank, das bekannte jüdische Mädchen, im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Gedanken zu ihrem 80. Todestag.

Am 25. Juni 1947 erschien in den Niederlanden die erste bearbeitete Fassung eines Tagebuchs unter dem Titel «Het Achterhuis» – «Das Hinterhaus». Es ist das Tagebuch eines jungen jüdischen Mädchens, mit Namen Anne Frank, das sich mit sieben weiteren Personen in einem Amsterdamer Hinterhaus vor den Nationalsozialisten versteckten musste. Schliesslich wurde sie entdeckt und ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. Dort, mit nur 15 Jahren, erkrankte sie schwer an Fleckfieber und Typhus. Völlig entkräftet und abgemagert starb sie im Februar oder März 1945 gemeinsam mit ihrer Schwester. In einem Tagebuch, das heute zur Weltliteratur zählt, beschrieb sie die Erlebnisse ihrer über zwei Jahre dauernden Gefangenschaft. Ein erschütterndes Dokument!

Eigentlich hiess sie Annelies Marie Frank, aber alle nannten sie nur «Anne». Sie wird am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main als zweites Kind einer jüdischen Familie geboren. Ein sehr fröhliches Kind. Ihr Vater, Otto Heinrich Frank, war ein niederländisch-schweizerischer Bankkaufmann deutscher Herkunft. Später gründete er eine zweite Firma, Pectacon, die mit Gewürzmischungen für Fleisch und Wurst handelte. Ihre Mutter, Edith Frank, hatte bereits 1927 eine Tochter namens Margot geboren.

 

Anne Frank um 1940. | Foto: Anonym/Wikimedia

 

Beginn der Judenverfolgung in Deutschland

1933 veränderte sich vieles für die Franks und überhaupt für alle Juden in Deutschland. Als die systematische Ausgrenzung und Verfolgung immer weiter fortschritt, zog Otto Frank 1938 mit seiner Familie in die Niederlande. Doch auch dort verschärften die Nationalsozialisten die Judenverfolgung. 1942 tauchte die Familie mit vier befreundeten Personen im Hinterhaus der Prinsengracht 263 unter, dem Sitz von Otto Franks Firma. Sie hofften, so der Verfolgung im von den Deutschen besetzten Amsterdam zu entkommen. Diese «geheim» wirkende Wohnung war nur durch eine verdeckte Tür hinter einem Büroregal zu erreichen. Für diese acht Personen waren die vielen lärmverhindernden Vorsichtsmassnahmen und enorme Lebenseinschränkungen in diesen zwei Jahren eine regelrechte Zumutung, die sie für ihre Sicherheit erdulden mussten.

Das Tagebuch der Anne Frank

Anne begann ihr Tagebuch – sie nannte es liebevoll «Kitty» – im Juni 1942. Es war zwei Tage nach ihrem dreizehnten Geburtstag und nur wenige Wochen, bevor die Familie Frank untertauchte. Über zwei Jahre hinweg schrieb sich das junge Mädchen in diesem Tagebuch all das von der Seele, was es erlebte, vermisste, wovon es träumte, was es schmerzlich ersehnte. Sie teilte ihre Ängste, aber auch alltägliche Sorgen und all das, was ein pubertierendes Mädchen beschäftigt und auch nerven kann.

In diesem Schreiben suchte sie auch nach Ablenkungen und Auswegen in all diesen lebensbedrohenden Gefahren. Gegen Ende ihrer Gefangenschaft boten ihr die Nachricht von der Landung amerikanischer Befreiungstruppen, aber auch ihr wachsender Glaube an Gott Hoffnung und Halt. Auch die aufkeimende Liebe zu dem jungen Peter, der mit seinen Eltern und noch einem Erwachsenen diese Überlebensgemeinschaft teilte, gaben ihr Trost und Hoffnung.

Am Sonntag, den 27. Februar 1944, schrieb Anne in ihr Tagebuch: «Liebste Kitty! Von morgens früh bis abends spät denke ich eigentlich an nichts anderes als an Peter. Ich schlafe mit seinem Bild vor Augen ein, träume von ihm und werde wieder wach, wenn er mich anschaut. Ich glaube, dass Peter und ich gar nicht so verschieden sind, wie das von aussen wirkt, und ich erkläre dir auch warum: Peter und ich vermissen beide eine Mutter. Seine ist zu oberflächlich, flirtet gern und kümmert sich nicht viel um Peters Gedanken. Meine bemüht sich zwar um mich, hat aber keinen Takt, kein Feingefühl, kein mütterliches Verständnis. Peter und ich kämpfen beide in unserem Inneren. Wir sind beide noch unsicher und eigentlich zu zerbrechlich und innerlich zu zart, um so hart angepackt zu werden. Dann will ich raus oder will mein Inneres verbergen... Ich weiss nicht, wie lange ich dieses Verlangen noch mit meinem Verstand beherrschen kann. Deine Anne M. Frank.»

Verraten und verhaftet

Als sie zusammen mit ihren Mitbewohnern am 4. August 1944, offenbar durch einen Verrat, entdeckt und vom Sicherheitsdienst verhaftet wurde, hatte Anne Frank ihre Arbeit noch nicht vollendet. Sie träumte von einem Buch, das sie bald schreiben wollte. Alle acht Personen wurden in verschiedene Konzentrationslager gebracht.

Annes Vater, Otto Frank, blieb der einzig Überlebende und kümmerte sich später liebevoll und verantwortungsbewusst um das kostbare literarische Erbe seiner Tochter. Anne selbst starb im Frühjahr 1945 mit 16 Jahren, zusammen mit ihrer Schwester Margot, an Krankheit und Entkräftung im Konzentrationslager Bergen-Belsen. Neueste Recherchen legen nahe, dass 1944 ein Notar, Mitglied des Jüdischen Rates, der viele Kontakte hatte und deshalb zunächst noch vor Deportation geschützt war, in seiner Verzweiflung die Verstecke der Franks verriet, um seine Frau, seine drei Töchter und sich selbst zu retten.

 

Stolpersteine vor dem letzten offiziellen Wohnort der Familie Frank in Amsterdam. | Foto: Michelides/Wikimedia/CC BY-SA 4.0

 

Literarisches Vermächtnis

Annes Tagebuch, mittlerweile in mehr als 30 Sprachen erschienen, wurde zu einem der meistgelesenen Bücher weltweit. Das Theaterstück «The Diary of Anne Frank», hatte 1955 am Broadway Premiere und anschliessend einen riesigen Erfolg. Es wurde auch in vielen anderen Ländern aufgeführt. In Deutschland machte das Stück grossen Eindruck, mehr als zwei Millionen Menschen haben es sich bereits angesehen. Oft folgte hinterher minutenlange Stille.

Das Tagebuch der Anne Frank wurde mehrfach verfilmt und ist in doppelter Weise ein literarisches Zeugnis von besonderer Bedeutung. Es zeigt einerseits bewegend die jüdische Zeitgeschichte, andererseits verdeutlicht es psychologisch eindrucksvoll, wie eine Heranwachsende in ihrer Reifezeit enorme innere Konflikte erlebt, verarbeitet und gestaltet. Sascha Feuchert, Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der Justus-Liebig-Universität in Giessen, drückte es einmal so aus: «Anne Frank war ein riesiges literarisches Talent, und das in einem sehr jungen Alter.» Man fragt sich, was aus ihr hätte werden können, hätte man diese zarte, aufblühende Blume nicht so früh und brutal zerstört.

Anne Franks Botschaft

Anne Franks Lebensgeschichte ist heute weltweit bekannt. Sie gilt als das bekannteste Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung. 1960 wurde das frühere Versteck der Familie Frank in der Prinsengracht 263 in Amsterdam zum Museum: das «Anne Frank Haus». Es dient nicht nur als Gedenkstätte für den Holocaust, sondern auch als internationale Bildungsstätte für Jugendliche. Hier suchen junge Menschen aus aller Welt nach Wegen, friedlich zusammenzuleben. Jährlich treffen sie sich zu Konferenzen und Begegnungen, um über Themen wie Diskriminierung, Demokratie, interkulturelle Verständigung, Religion und internationale Zusammenarbeit zu diskutieren.

Im Februar 2015 wurden am letzten offiziellen Wohnort der Familie Frank in Amsterdam Stolpersteine für Anne, Margot, Edith und Otto Frank verlegt. Die Botschaft: «Vergiss nie, was du gesehen, gelesen oder gehört hast!»

 

Der Autor Stanislaus Klemm ist Theologe, Psychologe und ehemaliger Mitarbeiter der Telefonseelsorge/Saar sowie der Lebensberatung in Neunkirchen.

 

Unsere Empfehlungen

Vorbei ist nicht vorbei

Vorbei ist nicht vorbei

Am 27. Januar vor 80 Jahren befreiten russische Truppen das KZ Auschwitz. An diesem Tag gedenkt man der Shoah und sagt gebetsmühlenartig: «Nie wieder.» Doch seit dem 7. Oktober 2023 häufen sich antisemitische Vorfälle in Europa. Betroffene jüdische Familien berichten, wie sie das erleben.

Attacke im Holocaust-Mahnmal in Berlin

Im Berliner Holocaust-Mahnmal ist ein Tourist aus Spanien bei einer Messerattacke schwer verletzt worden. Der mutmassliche Täter wurde festgenommen. Die Ermittler vermuten ein antisemitisches Motiv.
Ein Heiliger mit dem Glauben eines Pokerspielers

Ein Heiliger mit dem Glauben eines Pokerspielers

Oskar Schindler glaubte, dass das Leben einen Sinn hat, solange man jemanden rettet. Während des Zweiten Weltkriegs rettete er als Mitglied der NSDAP das Leben von 1200 Jüdinnen und Juden. Erst lange nach seinem Tod vor 50 Jahren wurde er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.