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Thierry Moosbrugger: Theologe, Mediator und Basler Ombudsmann

«Auch im Streit bin ich ein Geschöpf Gottes»

von Toni Schürmann
min
30.05.2024
BASEL | Der katholische Theologe Thierry Moosbrugger berät auf der Basler Ombudsstelle Menschen, die sich von Behörden unverstanden fühlen. Nun hat der professionelle Konfliktlöser ein Buch zum Thema Streiten verfasst.

Thierry Moosbrugger: Es gibt gefühlt bereits Hunderte von Ratgebern zum Thema Streiten. Warum noch ein weiteres Buch?

Sie haben recht. Tatsächlich gibt es schon viele Bücher zum Thema Konfliktkommunikation. Über die Jahre haben sich bei mir allerdings viele hilfreiche Werkzeuge angesammelt, die ich in einer Auslegeordnung auf den Punkt bringen wollte. Mit meinem Buch möchte ich nah am Alltag sein und einfache, praktisch umsetzbare Werkzeuge zur Verfügung stellen. Jede und jeder kann aus der gut gefüllten Kiste jene Werkzeuge herausnehmen, die ihr oder ihm am besten entsprechen.

Streiten sei doof, sagen Sie in Ihrem Buch. Was macht besser streiten aus?

Es ist schon viel gewonnen, wenn den Menschen bewusst ist, dass Konfliktkommunikation und Alltagskommunikation etwas komplett anderes sind und manchmal sogar gegensätzlich funktionieren. Besser streiten heisst, keine Angst davor zu haben, dass bei einem Streit auch mal nicht gleich eine gute Lösung resultiert.

Streiten Sie besser, seit Sie das Buch geschrieben haben?

Ich glaube tatsächlich, dass ich heute besser streite. Seit ich mich intensiv mit den Mechanismen des Streits auseinandergesetzt und sie auch verstanden habe, profitiere ich in vielen kleinen Situationen des Alltags.

Inwiefern?

Ich bin in Konfliktsituationen offener geworden, weil ich rascher sagen kann, was mir wichtig ist. Ich kann so auf falsche Rücksichtnahme verzichten, die mich einschränkt und in mir eine unbewusste Abwehrhaltung gegenüber meinem Gesprächspartner auslöst.

Dürfen Theologen fluchen? Oder anders gefragt: Wie können Emotionen gebändigt werden?

Fluchen ist eine Art Druckausgleich. Wie beim Kochtopf ist Dampf- ablassen auch beim Streiten sehr wichtig, weil es hilft, Emotionen abzukühlen, Distanz zu sich selbst und zum Gegenüber zu schaffen, um anschliessend das Hirn wieder einschalten zu können. Zentral dabei ist, das Fluchen einzubetten, indem ich meinem Gegenüber klar signalisiere, dass ich nicht ihn oder sie anfluche. Ziel der kurzzeitigen Grenzüberschreitung soll es sein, selber emotional wieder herunterzukommen. Alles, was zum Abkühlen beiträgt, hilft. Dazu gehört auch das Timeout. Also die Situation kurz verlassen, vielleicht etwas trinken und die Gedanken neu ordnen, um anschliessend wieder weniger emotional in den Konflikt einzusteigen.

Warum braucht es beim Streiten Rituale?

Rituale schaffen vertraute Formen. Das Gegenüber weiss: Da ist etwas, was uns verbindet und worüber wir Konsens haben. Das Ritual am Schluss eines Streits ist besonders wichtig. Damit schliessen wir den Streit vielleicht endgültig, vielleicht vorläufig ab und schaffen einen guten Übergang in den streitlosen Raum.

Gibt es auch christliches Streiten?

Ja. Als Christ weiss ich, dass jeder Mensch im Leben schuldig wird. Ich muss somit meine eigene Fehlerhaftigkeit nicht immer krampfhaft verstecken. Als Gläubiger weiss ich, dass ich von Gott gehalten bin. Christliches Streiten gründet im Vertrauen, dass ich auch im Streit ein Geschöpf Gottes bin. Das gibt mir hoffentlich immer wieder den Mut, Fehler einzugestehen.

 

Thierry Moosbrugger: 50× besser streiten. Wege zur Lösung. Verlag NZZ Libro, 2024, 34 Franken. www.50xbesserstreiten.ch

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