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Kirchgemeinde Gäu

Auch nach 125 Jahren bleibt die Kirche im Dorf

von Tilmann Zuber
min
20.09.2023
Am ersten September­wochenende feierte die Kirchgemeinde Gäu das 125-jährige Bestehen ihrer Pauluskirche. Sie ist die älteste erhaltene reformierte Kirche im ­unteren Kantonsteil.

Kinder stapeln Harassen in schwindelerregende Höhen, Streetdance, ein vierhändiges Orgelkonzert, Musik aus Israel, zwei Clowns, Führungen auf den Kirchturm und am Sonntag der Festgottesdienst mit allerlei Prominenz wie der Synodalratspräsidentin Evelyn Borer: Die Reformierte Kirchgemeinde Gäu feierte im September zwei Tage lang das 125-jährige Bestehen ihrer ­Pauluskirche. Das Motto lautete: «Lebensbaum – Lebensraum – Kirche».

Pfarrer Martin Göbel und OK-Präsidentin Rita Bützer durchschnitten feierlich das rote Band, das den neu gestalteten Platz von der Strasse trennt. Hier, gegenüber der Pauluskirche, kann man künftig unter freiem Himmel Schach oder Pétanque spielen oder unter den Platanen ein Schwätzchen ­halten. Die Idee für den Platz entstand in Zusammenarbeit mit dem Verein Aktives Alter Egerkingen. «Ich hoffe», verrät Göbel, «dass hier ein Platz der Geselligkeit, Freundschaften und Austausch entsteht.» Und natürlich würde sich der Pfarrer freuen, wenn die Leute den Schritt über die Strasse in die Kirche wagten.

Für den Pfarrer ist der Platz auch ein Symbol dafür, dass die reformierte Kirche an der Gesellschaft teilhaben will. «Sie will Kirche im Dorf sein und zum Dorfleben und zur Gemeinschaft beitragen.» Dafür sei die Pauluskirche in der Nähe des Bahnhofs ideal gelegen. Früher stand die Kirche etwas abseits, heute ist sie gut in die Gemeinde integriert.

Doch zurück zur Jubilarin: Am Sonntag, 21. März 1897, unterbreitete Pfarrer Hans Iselin den Vorschlag, ein Gotteshaus zu bauen. Längst habe die Raumnot dies notwendig gemacht. Mit der Industrialisierung und der Eisenbahn zogen immer mehr Protestanten in die katholischen und die christkatholischen Gebiete um Olten. Entsprechend gross war der Wunsch nach einer eigenen Kirche im Gäu. Als die Kirchgemeinde einen Bauplatz in der Nähe des Bahnhofs kostenlos erhielt, nahm das Projekt konkrete Formen an. Baumeister Löw aus Arlesheim entwarf die Baupläne, den Bau leitete der Basler Architekt Löhrer. Die Finanzierung bis zur Tilgung der Bauschuld übernahm der Protestantische Hilfsverein in Basel. Am dritten Advent 1898 feierten die Reformierten die Einweihung ihrer Pauluskirche.

Nach der Einweihung bauten die Reformierten ihre Pauluskirche Schritt für Schritt aus: Der Ofen wurde versetzt und ein Kohlenkasten angeschafft, auf dem Kirchplatz wurden Zementplatten verlegt. 1922 erhielt die Kirche elektrisches Licht, die Kirchgemeinde Olten schenkte ihre alte Orgel, und 1936 wurde der Dachreiter umgebaut, um Platz für drei neue Kirchenglocken zu schaffen. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Kirche aus­gebaut. Das Geld war knapp, die meisten Anschaffungen waren Schenkungen oder stammten aus Kollekten.

«Wir sind wie eine Familie»

Für Rita Bützer, Vizepräsidentin des Kirchgemeinderates, ist es ein grosses Privileg, dass das Gäu die älteste noch stehende reformierte Kirche im unteren Kantonsteil besitzt. Trotz ihres Alters wurde die Kirche immer wieder renoviert und erweitert. Vor kurzem erhielt der Turm eine neue Spitze, und vor sieben Jahren wurde der grosse Saal neben der Kirche eingeweiht. Bützer selbst stammt aus dem Wasseramt, kam als junge Frau durch die Heirat ins Gäu und blieb der Kirche all die Jahre verbunden.

Die Kirchgemeinde Gäu versuche, die Menschen mit Veranstaltungen und Festen einzubeziehen, erzählt Bützer. Die Reformierten lebten hier als Minderheit in einem traditionell katholischen Umfeld. Deshalb gebe es nicht in jedem Dorf eine Kirche, erzählt Rita Bützer, aber das mache die Menschen auch flexibel und bereit, sich zu engagieren.

Das bestätigt auch Pfarrer Joel Keller, der die Gemeinde nach acht Jahren verlässt. In der Diaspora identifizierten sich die Reformierten stärker und seien gleichzeitig weniger traditionsgebunden. Das mache die Arbeit flexibler, und die Gemeinde könne viel für die Familien tun. Diesen Zusammenhalt erlebt auch Pfarrer Martin Göbel: «Wir sind wie eine Familie, aber eine offene. Neue Leute sind willkommen und werden herzlich aufgenommen.»

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