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Kirchgemeinden und Pfarrer dürfen weiterhin Flagge zeigen: Und zwar für die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi), über die schon bald abgestimmt wird. Dies hat das Bundesgericht am Dienstag entschieden, nachdem die Jungfreisinnigen in den vier Kantonen Aargau, Bern, St. Gallen und Thurgau Anfang November eine Stimmrechtsbeschwerde eingereicht hatten. Das kirchliche Engagement verstosse gegen die Bundesverfassung, begründeten sie den Schritt. Als öffentlich-rechtlich anerkannte Körperschaften hätten die Kirchen politisch neutral zu sein. Um so mehr, als dass sie von Privaten und teilweise Unternehmen Steuern erheben. Sie forderten: «Sämtliche weitere Interventionen in den Abstimmungskampf müssen umgehend untersagt werden.
Das Bundesgericht ging darauf nicht ein. Es begründetet dies insbesondere damit, dass die Beschwerde kurz vor dem Abstimmungstermin am 29. November einging. Das Eingreifen mit Massnahmen wäre zu diesem Zeitpunkt «nicht mehr gerechtfertigt», heisst es in der entsprechenden Verfügung. Die grundsätzliche Frage, ob Kirchen politisch neutral sein müssen oder nicht, hat das Bundesgericht im gleichen Zug auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Biblische Botschaft
Mit Erleichterung nimmt Martin Schmidt, Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen, den richterlichen Entscheid zur Kenntnis. Die Kovi greife ein zentrales Anliegen der biblischen Botschaft auf und sei somit ein Kernanliegen: Die Menschenwürde und die Bewahrung der Schöpfung. Für die 700 mitbeteiligten Kirchgemeinden sei klar, dass Konzerne für Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zukünftig gerade stehen müssten. Zwar sei die St. Galler Kirche mit politischen Stellungnahmen und Abstimmungsempfehlungen in der Regel zurückhaltend. Persönlich beurteilt er etwa die Beflaggung von Kirchtürmen oder eine Positionierung im Gottesdienst skeptisch. «Aber grundsätzlich sind wir als Landeskirche vom Staat aufgefordert, am Wohl der Gesellschaft mitzuwirken und uns einzubringen.»
Späterer Zeitpunkt
«Es ist schade, dass das Bundesgericht nicht den Mut gefunden hat, die politischen Aktivitäten der Kirche jetzt zu unterbinden», sagt der Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz Matthias Müller, auf Anfrage. Mit ihren Propagandaaktionen wie der Beflaggung von Kirchen und Kirchtürmen und «propagandistischen Predigten» sei die Kirche definitiv zu weit gegangen. Er sei daher zuversichtlich, dass die Lausanner Richter dies auch so sehen werden. Das Bundesgericht halte lediglich fest, dass es so kurz vor der Abstimmung keine Verbote verfügen will. «Hierfür habe ich sogar noch Verständnis», so Müller. Die Grundsatzfrage, ob und wieweit sich die öffentlich-rechtliche Kirche in nationale Abstimmungskämpfe einmischen darf, gelte es indes noch zu klären.
Auch der der St. Galler Kirchenratspräsident Martin Schmidt ist gespannt auf das Präzedenzurteil aus Lausanne. Dass dieses am Abstimmungsergebnis im Falle eines Ja etwas ändern könnte, glaubt er nicht. «Sonst müsste man noch ganz viele andere Wahlergebnisse überprüfen», so Schmidt.
Sandra Hohendahl-Tesch, reformiert.info
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