«Begegnungen von Frau zu Frau, von Mutter zu Mutter»
Sie sind Seelsorgerin am UKBB – betreuen Sie eher die Eltern oder eher die Kinder?
Eigentlich eher die Eltern. Häufig sind die Kinder aber mit dabei, weil ich bei ihnen im Patientenzimmer bin. Kleinere Kinder versuche ich spielerisch zu integrieren, mit grösseren Kindern nehme ich auch im Gespräch den Kontakt auf.
Mit welchen Konfessionen und Religionen haben Sie es zu tun?
Ich treffe immer wieder auf Eltern, die einen starken kirchlichen Bezug haben, und ich habe auch mit Eltern anderer Religionen zu tun, mit muslimischen, hinduistischen oder buddhistischen Eltern. Mit ihnen rede ich selbstverständlich auch. Wenn wir von durchschnittlichen jungen Schweizer Eltern ausgehen, muss ich sagen, dass nur noch wenige mit der Kirche zu tun haben. Viele sind ausgetreten. Alle Eltern sind aber in einer Ausnahmesituation, wenn ihr Kind existenziell bedroht ist und ihre Zukunft als Familie auf dem Spiel steht, wenn es um Leben und Tod oder um eine schwere Krankheit geht. Dann sind fast alle sehr offen für eine menschliche, offene, liebevolle Begegnung.
Finden Sie den Zugang zu Eltern auch, wenn sie anderen Religionen angehören?
Der grösste Anteil anderer Religionen sind muslimische Familien. Eine Mutter, die um ihr Kind bangt, ist aber in erster Linie eine Mutter, da spielt die Religion keine Rolle. Es ist eine Begegnung von Frau zu Frau, von Mutter zu Mutter, in einer existenziellen Situation. Ich versuche, durch sorgfältiges Zuhören herauszufinden, wie es ihr geht, wie ihr Selbstverständnis ist, wie sie ihre Familie sieht. Je nachdem entwickeln sich das Gespräch und die Begleitung anders.
Wann kommen Sie zum Einsatz im UKBB?
Ich werde meistens angerufen. Die Intensivstation besuche ich jede Woche. Da frage ich aktiv nach Patienten oder Familien, die mich brauchen. Ich gehe vorbei und stelle mich vor, danach reden wir, kürzer oder länger. Darüber hinaus bin ich Mitglied des interdisziplinären Care-Teams am UKBB. Das Care-Team begleitet Patientenfamilien in kritischen Situationen und entlastet gleichzeitig das medizinische Behandlungsteam. Da komme ich zum Beispiel nach einem schweren Unfall zum Einsatz.
Sie arbeiten also auf der Intensivstation und im Care-Team …
… und ich bin Teil des Palliativ-Teams. Das arbeitet stationär und ambulant. Es betrifft Kinder, die nicht geheilt werden können, die also längerfristig an einer Krankheit leiden. Das sind nicht unbedingt sterbende Kinder. Langzeitpflege erfolgt bei Kindern wenn irgend möglich zu Hause. Das ist also nicht nur seelisch, sondern auch von der Betreuung her eine riesige Belastung für die Eltern, ein Kraftakt.
Betreuen Sie auch die Mitarbeitenden am UKBB?
Ich habe recht häufig mit dem Personal zu tun. Dabei geht es weniger um den medizinisch-therapeutischen Fall als darum, wie es einem mit dem Patienten und mit den Angehörigen geht. Was fällt mir schwer? Was passiert mit mir? Was belastet mich? Wo habe ich ethische Bedenken? Es geht darum, solche Empfindungen und Gefühle zu besprechen und gemeinsam Lösungen für den Umgang mit ihnen zu suchen.
Für Eltern gibt es nichts Schlimmeres als ein schwer krankes oder gar ein sterbendes Kind. Was können Sie den Eltern anbieten?
Ich kann ihnen anbieten, dass ich mit meinem ganzen Herzen bei ihnen bin in diesem fast nicht auszuhaltenden und manchmal auch gar nicht auszuhaltenden Lebensabschnitt. Ich kann ihnen anbieten, dass ich mitfĂĽhle, aber dabei nicht selbst zusammenbreche. Dadurch kann ich ihnen etwas Halt geben und das Schwierige und Schwere mit ihnen aushalten.
Und wie halten Sie das aus?
Ich habe ein tolles Team und liebe Kolleginnen und Freunde und eine wunderbare Familie. Da erzähle ich auch manchmal von meinen Patientinnen, und dann tragen sie mich mit, indem sie zuhören und Anteil nehmen. Ich habe sehr gerne stille Momente für mich alleine, in denen ich mich geistig regenerieren kann im Gebet. Ich bewege mich gerne beim Laufen und beim Sport. Draussen in der Natur spürt man seinen Körper, und er kann sich erholen und neue Kraft schöpfen.
Â
Cornelia Schmidt hat in Basel und Zürich Theologie studiert. Nach dem Propädeutikum arbeitete sie ein Jahr lang als Lehrerin an einer Primarschule in Guayaquil, Ecuador. 1998 wurde sie ordiniert. Seit 2005 ist sie Seelsorgerin im Kantonsspital BL auf dem Bruderholz, seit 2017 zudem Spitalseelsorgerin am UKBB.
«Begegnungen von Frau zu Frau, von Mutter zu Mutter»