Bibel: Umgang mit brutalen Geschichten und dem Tod
«Die Geschichten aus der Bibel sind sehr alt. Sie wurden in einer uns fremden Sprache in einer uns fremden Zeit aufgeschrieben. Wir kennen weder die Lebensumstände jener Menschen, noch ihr Weltbild, ihre Regeln des Zusammenlebens noch ihre religiöse Sprache», so Sabine-Claudia Nold. «Diese Distanz erschwert unseren Zugang zu diesen Erzählungen.»
Eine weitere Erschwernis sei, dass die Bibel von Gotteserfahrungen berichte. «Selbst in unserer Muttersprache geraten wir da oft ins Stocken.» Es gebe für sie zwei unterschiedliche Möglichkeiten, sich biblischen Texten anzunähern, sagt die Pfarrerin: «Entweder versuchen wir, die erwähnte Distanz mit möglichst viel Wissen zu überbrücken. Oder wir lesen die Texte und suchen darin eine Aussage, die in unsere heutige Lebenssituation passt. Wenn wir Kindern biblische Geschichten erzählen, müssen wir auf jeden Fall hinter dem Erzählten stehen können.»
Was heisst kindgerecht?
Durch das Erzählen treten wir in Beziehung mit den Kindern. Wir erzählen nicht nur mit Worten, sondern auch mit Mimik und Tonfall. «Innere Haltung und Wertvorstellungen werden beim Erzählen nonverbal vermittelt.» Deshalb sei es wichtig, Spass an der erzählten Geschichte zu haben und eigene Worte dafür zu finden. «Wirwählen Worte, die das Kind verstehen kann, erzählen so, dass es Freude hat,und vermeiden, Gott als drohend oderstrafend darzustellen», sagt die Pfarrerin.Jedes Kind sei individuell unddarauf gelte es Rücksicht zu nehmen.
«Die biblischen Figuren sind meist schwach skizziert, deshalb können wir uns leicht mit ihnen identifizieren. Das erlaubt uns auch, sie entsprechend zu gestalten.»
Die Plagen der Ă„gypter und die Arche Noah
In einem 15-seitigen Themenpapierskizziert Sabine-Claudia Nold dieEntwicklungeiniger Textstellen. Dazugehört auch die Erzählung von denPlagen der Ägypter. «Die Bibel will denMenschen in Not – in der ErzählungMose und seinem Volk – Gottes Hilfeversichern. Es geht nicht um Gerechtigkeitoder Kompromisse. Gott stelltseine Macht unter Beweis. Er hilft ‹seinen›Leuten ganz parteiisch.» Umdiese Darstellung zu verstehen, sei eshilfreich zu wissen, dass diese Erzählungvom 8. bis 2. Jh. v. Chr. immer wiederüberarbeitet wurde. «In jeder Zeitwurde das herausgehoben, was für dieErzählenden gerade besonders wichtigwar», so Sabine-Claudia Nold. DiesesWissen gebe auch uns die FreiheitSchwerpunkte zu setzen. Etwa denMut zu betonen, den Moses brauchte,um immer wieder vor den Pharao zu
Eine weitere Bibelstelle, die kleinen Kindern gerne erzählt wird, ist die von der Arche Noah. Dabei fragen die Kinder immer wieder einmal, ob alle Tiere und Menschen ausserhalb der Arche ertrunken seien. «Wenn Kinder danach fragen, halte ich es für vertretbar zu erwähnen, dass nicht alle Menschen und Tiere überlebt haben. Aber mit dem Hinweis, dass der Tod keine Strafe Gottes ist», so Sabine-Claudia Nold. Der Fokus auf der Erzählung liege klar auf der Zusage Gottes an seine Schöpfung, auf dem Bund mit den Menschen.
Tod und Leid als Teil unserer Welt
Ähnlich verhalte es sich bei der Passionserzählung. «Tod, Leid und Katastrophen sind ein Teil unserer Welt. Kinder spüren, dass es die ‹heile Welt› nicht gibt. Sie brauchen jemanden, um darüber sprechen zu können. Es ist unsere Aufgabe, Kinder auch bei bedrückenden und traurigen Themen zu begleiten.» Deshalb dürfe der Tod in dieser Erzählung nicht ausgelassen werden – was nun aber nicht bedeute, dass die traurigen und brutalen Szenen ausgemalt werden sollen. «Das Ziel der Erzählung ist die Auferstehung. Auch wenn es im Leben oft schlimm ist, wir dürfen vertrauen, dass Gott mit uns ist.»
Carmen Schirm-Gasser
Bibel: Umgang mit brutalen Geschichten und dem Tod