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«Chefs behandeln in der Schweiz ihre Mitarbeitenden wie Freunde»

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28.06.2016
Der Indonesier Halim Pratama (26) und der Ghanaer Richard Offei (31) besuchten als Jugendkoordinatoren für Mission 21 die Schweiz. Über manches wunderten sie sich.

Was ist Ihnen in der Schweiz aufgefallen?
Halim Pratama: Der Führungsstil. In meiner Heimat behandeln wir die Vorgesetzten wie Prominente. Wir sorgen dafür, dass sie in der ersten Reihe sitzen und durch nichts gestört werden. Und die Vorgesetzten gehen mit ihren Mitarbeiter wie Untergebene um. In der Schweiz hingegen achten die Chefs bei ihrem Führungsstil auf die gute Zusammenarbeit. Sie behandeln ihre Mitarbeitenden wie Freunde.

Richard Offei: Im Gegensatz zu afrikanischen Ländern ist die Schweiz ein hoch organisiertes Land mit einer guten Infrastruktur. Die Jugend profitiert von dem guten Bildungssystem. Nur wenige sind arbeitslos. In Ghana funktionieren die Schulen und die Universitäten schlecht. Es herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit.

Und im Bezug auf die Kirchen?
Offei: In der Schweiz ist Religion Privatsache. Bei uns in Ghana ist der Glaube wichtig. Rund 65 Prozent der Bevölkerung sind Christen. Religion ist Teil unseres Lebens und unserer Kultur, egal ob an Sonn- oder Werktagen. Wir tanzen, trommeln und singen in der Kirche, da herrscht Leben und Leidenschaft. Rund 800 Personen besuchen im Durchschnitt den Gottesdienst. Wie ich gesehen habe, sind dies in der Schweiz manchmal kaum zwanzig.

Wie unterscheiden sich die Jugendlichen?
Pratama: In Europa besteht ein Graben zwischen den Generationen. Die Beziehung zwischen Alt und Jung ist nicht so stark. Bei uns zu Hause sitzen wir oft mit den älteren Leuten zusammen, plaudern ungezwungen und lachen miteinander. In der Schweiz spürte ich, wie sehr sich die Älteren anstrengten, nett zu sein.

Benehmen sich die Jugendlichen im Alltag anders?
Pratama: Ja, das tun sie. Europäische Jugendliche hängen nicht ständig am Handy. In Indonesien haben junge Menschen permanent ihr Smartphone in der Hand.

Offei: In Ghana leben die Jugendlichen in der Gemeinschaft. Man bewegt sich in der Gruppe, trifft Freunde, teilt Ideen und manchmal Ressourcen und unternimmt vieles zusammen. In der Schweiz pflegen die Jungen ihr eigenes Leben und ziehen sich zurück.

Was sind die wichtigen Themen für junge Leute?
Pratama: Meine Antwort mag Sie erstaunen: Als grösstes Archipel-Land der Welt verfügt Indonesien über reiche natürliche Ressourcen. Dessen sind wir uns bewusst. Die jungen Menschen achten auf die Umwelt. Wir haben begriffen, dass unsere natürlichen Ressourcen zu den wichtigsten Stärken unseres Landes zählen.

Offei: Junge Ghanaer sprechen über Themen wie Arbeitslosigkeit, Bildung, Politik, Friede und Religion. Wir sind mit Arbeitslosigkeit und einem schlecht funktionierenden Bildungssystem konfrontiert. In der Schweiz diskutieren junge Leute vor allem über die Migration und die Flüchtlinge. Bei euch habe ich erlebt, wie viele Jugendliche Alkohol trinken.

Gibt es Unterschiede im Glauben?
Pratama: Ich habe eine junge Frau getroffen, eine Jugendbotschafterin von Mission 21. Sie erzählte mir, sie lebe mit ihrem Freund zusammen. Das wäre in Indonesien unvorstellbar. Sie würde nie zur Jugendbotschafterin gewählt werden. Falls doch, hätte sie das mit ihrem Freund verschwiegen. Schweizerinnen können offen über solches reden.

Offei: Die Evangelisation prägt den Glauben in Ghana. Wir beten häufig, lesen gemeinsam die Bibel und feiern Gottesdienste. Trotzdem sind viele korrupt. In der Schweiz drückt sich der Glaube stärker in der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit aus – auch wenn die Gottesdienste weniger beschwingt sind.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Karin Müller, Tilmann Zuber / Kirchenbote / 28. Juni 2016

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