Das Baumwunder in den Wüsten Afrikas
Der Hörsaal der Universität Zürich war voll. Schliesslich brennt das Thema den Zuhörenden buchstäblich unter den Nägeln, seit sich das Inferno des Amazonas in das Bildgedächtnis der Menschen im Sommer 2019 eingeschlichen hat. Da kommt Tony Rinaudo nach Zürich, ein Visionär, der die verödeten Wüsten und niedergebrannten Wälder wieder begrünen will. Im Reisegepäck hat der Australier und Agraringenieur eine Lösung gegen die Entwaldung und fortschreitende Wüstenbildung der Erde.
Natürlich reist Tony Rinaudo als Missionar seiner Methode und auch als wichtiger Entwicklungsexperte des christlichen Hilfswerks «World Vision» mit dem Flugzeug an. Ein wenig schlechtes Gewissen hat er schon, so oft im Flieger zu sitzen. In Zeiten, in denen das Wort Flugscham zum Wort des Jahres gekürt werden könnte, braucht es dafür Begründungen. Und Rinaudo hat eine, obwohl sein ökologischer Fussabdruck so exzessive Werte wie die eines CEOs eines Weltkonzern ausweist. Denn seine persönliche Bilanz sieht nicht schlecht aus, wenn man eines berücksichtigt: Alleine in Niger hat Rinaudos Konzept der Aufforstung sieben Millionen Hektaren Land regeneriert. Das ist fast das Doppelte der Fläche der Schweiz.
Simple Methode für viel Wald
Ein kleiner Film wird auf die Wand des Hörsaals projiziert, der das «Wunder von der Rückkehr der Bäume» in Wüstenlandschaften erklärt. Angefangen hat es in den 1980er Jahren. Damals hat der Agraringenieur entdeckt, dass die grünen Triebe auf dem verödeten Wüstenboden nicht nutzloses Gestrüpp sind, sondern Sprösslinge von Bäumen. Selbst lange nach dem Abholzen bleibt das Wurzelwerk lebendig. Mit einigen geschickten Schnitten, um die Haupttriebe zu fördern und die Nebentriebe zu beschneiden, stimuliert man den Baumwuchs.
Im Hörsaal belegt Rinaudo die Effizienz seiner Methode mit eindrucksvollen Zahlen. Denn im Gegensatz zu den kostspieligen und ineffizienten Aufforstungsmethoden, die pro Hektar ein Budget von 8000 Dollar verschlingen, lässt sich Rinaudos Methode von Nichtexperten schnell erlernen. Ohne Baumschulen und teure Experten kann man daher mit zwei Dollar pro Hektar die Wüste begrünen.
Warum aber findet die Aufforstungsmethode fast zum Nulltarif bisher wenig Nachahmer. Anna Rüffer, vom Zürcher Verlag Rüffer & Rüb sieht den Grund darin, dass es kaum Geld kostet. «Da kann keiner ein Business daraus machen», sagt sie auf dem Podium. Rüffer war auch eines der Mitglieder in der Jury, welche den alternativen Nobelpreis im Jahr 2018 an Tony Rinaudo verliehen hat.
Der Graswurzelrevolutionär
Der Visionär Rinaudo selbst sieht die bisher noch geringe Resonanz für seine Methode in der Beharrlichkeit alter Denkmuster begründet: «Seit Jahrhunderten ist im Bewusstsein von uns verankert, dass das Aufforsten nur über das Pflanzen neuer Bäume geht.»
Aber könnten nicht die Politiker, welche die Agenda der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit bestimmen, für die Methode gewonnen werden? Rinaudo räumt ein, dass die Einflussnahme von Politikern nicht sein Spezialgebiet sei. Er will mehr mit einem Ansatz von Bauer zu Bauer auf die unter der Erde schlummernde Kraft der Baumwurzeln hinweisen. Er ist eben ein Graswurzelrevolutionär für die Baumwurzeln.
Delf Bucher, reformiert.info, 9. September 2019
Das Baumwunder in den Wüsten Afrikas