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«Das berührt mich dann sehr»

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28.10.2022
Eine freiwillige Helferin der Dargebotenen Hand erzählt aus ihrem Alltag am Sorgentelefon. Da gibt es viele Dinge, die sie berühren. Mitfinanziert wird die Dargebotene Hand von der Landeskirche Luzern.

Als Maria M. (Name von der Red. geändert) in Pension ging, war für sie klar, dass sie etwas tun wollte. Sie wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben, eine Tätigkeit ausüben, die einen Sinn macht.

Bis zu jenem Zeitpunkt arbeitete sie im sozialen Bereich und hatte ihren Beruf mit grosser Leidenschaft ausgeübt. In der Zeitung stiess sie auf ein Inserat der Dargebotenen Hand, in dem freiwillige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesucht wurden.

Man muss zuhören können
Maria M. besuchte den Infoabend, bewarb sich und wurde zu einem Gespräch eingeladen, da sie alle Anforderungen erfüllte. «Die Anforderungen bestanden nicht darin, dass man in einem sozialen Beruf tätig sein musste», erzählt sie. «Vielmehr ist es wichtig, dass man sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellt, gut zuhören kann, nicht wertet und die Meinung von anderen stehen lassen kann.»

Daraufhin wurde Maria M. knapp ein Jahr auf die Tätigkeit beim Sorgentelefon vorbereitet. Auf dem Stundenplan standen 200 Stunden Theorie und Praxis in Kommunikation, Psychologie, Psychopathologie und Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Dennoch stand Maria M., als sie zum ersten Mal am Sorgentelefon sass, einer grösseren Herausforderung gegenüber. Die Hilfesuchenden sassen nicht vor ihr.

Für einen Hund bleibt keine Zeit
Aufgrund ihrer früheren Tätigkeit war sie es gewohnt, auf die vielen nonverbalen Zeichen zu achten. «Ich lernte von nun an, gut auf die Stimme zu achten und daraus die wichtigsten Reaktionen zu lesen.» Seit einem Jahr arbeitet Maria M. beim Sorgentelefon, nebst einer weiteren sozialen Tätigkeit, die sie ausübt. Die Idee mit dem Hund, den sie sich zulegen wollte, hat sie verworfen, dafür bleibt nun keine Zeit mehr.

Meist arbeitet sie ein, zweimal in der Woche beim Sorgentelefon in der Stadt Luzern. Sie ist angehalten, ein Jahressoll an Einsätzen zu erreichen. Das passe ihr gut, sagt sie, denn so könne sie auch mal zwei Monate am Stück in die Ferien reisen.

Alle Schichten ausgelastet
«Meistens rufen sehr viele Menschen an», erzählt sie weiter. «Früher gab es Schichten, in denen weniger los war. Heute sind alle Schichten ausgelastet.» Rufen zu viele gleichzeitig an und ist die Linie der Innerschweiz besetzt, werden die Anrufer automatisch in einen anderen Kanton weitergeleitet, damit sie nicht warten müssen. So hat Maria M. vereinzelt auch Anrufer und Anruferinnen aus Bern oder Zürich am Telefon.

Manchmal dauert ein Gespräch zehn Minuten, im Durchschnitt etwa eine halbe Stunde. «Wenn ich spüre, dass eine Person sehr in Not ist und das, was sie weiterbringen könnte, noch nicht angesprochen wurde, kann das Gespräch auch länger gehen.»

Es rufen mehr Frauen an
Die typische Hilfesuchende ist weiblich und bringt Sorgen über die Alltagsbewältigung, psychische Schwierigkeiten und Einsamkeit zur Sprache. Frauen stellen mit 73 Prozent die Mehrheit der Anrufenden dar. Der Männeranteil lag 2021 bei 27 Prozent.

«Es ist subtil, wie wir manchmal helfen », sagt Maria M. Vereinzelt hat sie das Gefühl bei all der Schwere eines Schicksals, nicht helfen zu können. Dann sagt sie zum Schluss des Gesprächs, es tue ihr leid, dass sie nicht weiterhelfen konnte. Die Anrufenden antworten dann häufig, dass sie sehr wohl geholfen habe, allein dadurch, dass man sie ernst genommen und ihnen zugehört habe. «Das berührt mich dann sehr», sagt Maria M.

Der Anrufer stand auf der Brücke
Es kam auch vor, dass ein Anrufer Suizid begehen wollte. Er stehe neben der Brücke und sei sehr verzweifelt, berichtete er Maria M. am Telefon. Zum Schluss sprang er nicht. Wie es mit dem Anrufer weiterging, weiss Maria M. nicht, da immer andere Mitarbeitende am Telefon sitzen. Mit dieser Ungewissheit muss sie leben. Doch sie hat gute Strategien für sich entwickelt, um sich von solch schwierigen Erlebnissen abgrenzen zu können.

Carmen Schirm-Gasser

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