Das erste Kinderhospiz in der Schweiz ist offen für kirchliche Unterstützung
Vor allem für Eltern kann es ein Zustand an der Grenze des Erträglichen sein: Wenn das eigene Kind unheilbar krank ist oder bald sterben wird. Um ihnen wenigstens ein bisschen Last abzunehmen, ist am 13. August in Riedbach bei Bern das erste Kinderhospiz in der Schweiz eröffnet worden.
Im ehemaligen Bauernhaus stehen je vier Pflege- und Familienzimmer zur Verfügung. Sie bieten Platz für wochenweise Aufenthalte von lebensverkürzend erkrankten Kindern als Entlastung für Eltern, also eine Kurzzeitpflege. Und sie bieten für die letzte Lebensphase von Kindern die Möglichkeit für Familien, ihr Kind in den Tod zu begleiten.
Ein Tropfen auf dem heissen Stein
Getragen wird das Kinderhospiz Allani von der gleichnamigen Stiftung. Gemäss Geschäftsführer André Glauser sollten rund 150 Kinder und ihre Familien pro Jahr durch das Angebot unterstützt werden können. Angesichts von schweizweit etwa 10‘000 Kindern mit lebensverkürzenden Erkrankungen «ein Tropfen auf einem heissen Stein», wie er sagt. Das Bedürfnis sei also klar vorhanden.
Für Eltern sei die Belastung mit oft über Jahre rund um die Uhr betreuungsbedürftigen Kindern riesig, physisch und psychisch. Die Entlastung durch die Spitex entfalle dabei relativ klein aus. «Und im Spital bekommen die Kinder zwar medizinische Sicherheit, aber keine Geborgenheit», hält Glauser fest. Diese gebe es aber im Hospiz, wo 25 Pflegefachpersonen und rund 160 Freiwillige mitarbeiten: «Wir können auf die Bedürfnisse eingehen, die Angehörigen können Kraft tanken. Und trotz der Lage auf dem Land ist man in zehn Minuten mit dem Auto im Kinderspital.»
Stärkung auch durch Austausch
Die Notwendigkeit von Kinderhospizen bestätigt auf Anfrage auch Isabelle Noth, Theologie-Professorin und Psychologin an der Uni Bern und Expertin für Seelsorge. Sie bezeichnet es als «erstaunlich», wie lange es bis zur Eröffnung des ersten Schweizer Kinderhospizes gedauert hat. Und bestätigt die Aussage von André Glauser: «Es braucht sie, weil es zahlreiche Erzählungen von betroffenen Eltern gibt, dass ihnen der Aufenthalt in einem Hospiz geholfen habe, neue Kraft zu schöpfen und sie nochmals ganz neue Erfahrungen mit ihrem Kind und untereinander machen durften.»
Ganz grundlegende Stärkung würden Eltern auch erfahren im Austausch mit anderen betroffenen Familien und in der Zuwendung, die sie erfahren. Schliesslich sei es auch ein Signal der Gesellschaft, betont Noth: «Mit Kinderhospizen signalisieren wir, dass wir die ausserordentliche Situation und Belastung von Familien mit einem schwer erkrankten Kind wahrnehmen und uns ihnen an die Seite stellen wollen.»
Hoffen auf Kantonsgeld
Trotz aller Notwendigkeit für Betroffene: Die Zukunft des Kindershospizes ist noch nicht langfristig gesichert. Der ausschliesslich durch Spenden und bescheidene Beiträge von Gästen finanzierte Betrieb hat zurzeit Reserven bis Ende 2025. Angestrebt wird künftig aber auch eine Unterstützung durch den Kanton. «Die Chancen stehen gut, dass das kommt», sagt Geschäftsführer André Glauser. 2023 ist dem Berner Regierungsrat eine Motion überwiesen worden, nach der die Exekutive innerhalb von zwei Jahren Grundlagen erarbeiten muss, um Hospize zu ermöglichen. Und die Stiftung Allani habe ein gutes Netzwerk auch mit Kontakten zu Mitgliedern im Kantonsparlament.
Gegenüber Unterstützung von kirchlicher Seite sei das Kinderhospiz Allani offen, sagt Glauser. So habe bereits die katholische Kirche einen Grossteil bei der Finanzierung des Hauskaufs übernommen. Und Stiftungsratsmitglied Patrick Schafer, katholischer Seelsorger am Inselspital, habe ein Seelsorgekonzept angedacht. «Wir sind konfessionell neutral, aber offen für diverse Formen der Zusammenarbeit», hält André Glauser fest.
Seelsorge kann Ressource sein
Die Theologin Isabelle Noth sieht durchaus Ressourcen bei den Kirchen, die das Kinderhospiz unterstützen würden. Sie könnten hier ihre «ureigene Kompetenz» im Bereich der Seelsorge zur Verfügung stellen, sagt sie. «Es ist sinnvoll, falls erwünscht, wenn Menschen die Möglichkeit erhalten, religiös-spirituell begleitet zu werden, gerade weil dies eine grosse Ressource für die Bewältigung des Alltags sein kann.» Eine weitere Möglichkeit sieht Noth in der Öffentlichkeitsarbeit. So wäre es ihrer Ansicht nach hilfreich, wenn Kirchen sich dafür engagierten, öffentlich die Notwendigkeit von Kinderhospizen zu thematisieren und für sie zu sensibilisieren.
Weitere Initiativen für Kinderhospize gibt es konkret in Zürich und Basel. Mit Eröffnungen wird dort gegen Ende 2025 (Zürich) beziehungsweise voraussichtlich 2027 gerechnet. Die grosse Notwendigkeit von solchen Institutionen unterstreicht die Seelsorge-Expertin Isabelle Noth noch mit anderen Worten: «Es gibt kaum etwas Schmerzhafteres, als ein Kind zu haben, das schwer erkrankt ist, rund um die Uhr gepflegt werden muss und von dem man weiss, dass es frühzeitig sterben wird.» Eltern und primäre Bezugspersonen seien in diesen Situationen immens belastet.
Gerade auch das Mitfühlen an sich sei für die Nächsten der Kinder einschneidend: «Aushalten zu müssen, was vor allem das Kind selbst durchmacht, erfordert beinahe übermenschliche Kräfte», gibt Noth zu Bedenken. Es stehe ausser Frage, dass jegliche Massnahme, die Familien eine Auszeit ermöglicht und sie entlastet, umfassende Unterstützung verdiene.
Das erste Kinderhospiz in der Schweiz ist offen für kirchliche Unterstützung