Das Fach Religion soll obligatorisch bleiben
Im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität steht auch für den Religionsunterricht an den Mittelschulen eine Revision an.
Bis Ende September hatten die Landeskirchen Zeit, auf die Vernehmlassung zur reagieren. Was diese taten. Ende September sandten Kirchen ihre Antwort ans Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung.
Überall anders geregelt
Geht es nach den Kirchen, sollen sich die Schülerinnen und Schüler nicht nur auf der Primar- und der Sekundarstufe mit den Religionen befassen. Fortan sollte dies auch im Gymnasium geschehen: als obligatorischer Unterrichtsstoff Religionen oder in Kombination mit Philosophie. Aktuell ist dies in jedem Kanton, ja sogar in jedem Gymnasium individuell geregelt.
Im Kanton Solothurn besuchen die Gymnasiasten in Solothurn und Olten entweder das Wahlpflichtfach Religion oder dasjenige der Ethik. Der Besuch ist obligatorisch. Die eine Hälfte entscheide sich für Ehtik, die andere für Religion, erklärt Christoph Mathys, Präsident der Interkonfessionellen Kommission für den Religionsunterricht an den Solothurnischen Kantonsschulen.
Die Kommission hat sich ebenfalls an der Vernehmlassung beteiligt. Sie begrüsst die Stossrichtung der Revision. Besonders, dass das Fach «Religionen» weiterhin als Grundlagenfach angeboten werden kann.
Zu viel Spielraum für die Kantone
Sie bedauert aber, dass die Fächer Religion und Ethik nur in einer Kann-Version stehen. Die Formulierung sei zu unverbindlich und könne rasch einmal dazu führen, dass diese Fächer aus dem Stundenplan fielen, sagt Christoph Mathys. Da hätten die Kantone zu viel Spielraum. Deshalb sollte von «muss» die Rede sein.
Die religiösen Bildungsmöglichkeiten an den Schulen seien heute schon eingeschränkt, schreibt die Kommission. Mit der Reformpolitik der Neunzigerjahre habe man den religiösen Zugang in der Bildung zu stark marginalisiert.
Religionswissen macht Kulturgeschichte verständlich
Wie die Gegenwart zeige, seien die grossen Fragen der Ethik und der Religionen nach wie vor in der Gesellschaft präsent, erklärt Christoph Mathys, der am Gymnasium Wirtschaft und Recht unterrichtete. Kenntnisse der Religionen und Kirchen seien bedeutsam, weil die europäische Geschichte, Literatur, Architektur und Kunst ohne ein Grundwissen über die jüdische, die christliche und die islamische Glaubenstradition nicht verstanden werden könne.
Interkulturelle Kompetenz vermitteln
Müsste die Schule nicht der gesellschaftlichen Entwicklung Rechnung tragen, dass immer weniger Mitglied einer religiösen Gemeinschaft sind? «Im Gegenteil», meint Christoph Mathys. Die Gegenwart werde nach wie vor von kulturellen und religiösen Traditionen geprägt, die Orientierung, religionsbezogene Dialogfähigkeit und interkulturelle Kompetenz verlangten, unabhängig davon, ob man zu einer Religionsgemeinschaft gehöre oder nicht.
Heute brauche es vermehrt eine ethische Sensibilisierung und die Bereitschaft, Verantwortung für sich selbst, den Mitmenschen, die Gesellschaft und die Natur wahrzunehmen. «All dies findet in den Fächern Religionen und Philosophie statt», ist Christoph Mathys überzeugt.
Tilmann Zuber
Das Fach Religion soll obligatorisch bleiben