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Das Geschäft mit dem Austritt

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08.07.2016
Wer aus der Kirche austreten will, findet im Web Unterstützung – die etwas kostet. Kirchen haben mit schlechter Kommunikation diese Entwicklung begünstigt. Doch sie versuchen entgegenzuwirken.

Man muss nicht einmal den Gedanken an den Kirchenaustritt hegen. Bloss kurz nach etwas mit «Kirche» im Internet gesucht, schon erscheint zuoberst über den Resultaten ein Inserat für eine Website, die Austrittswilligen Unterstützung anbietet. Diese Portale informieren teils sehr ausführlich über Hintergründe und geben Antworten auf häufige Fragen. Und sie bieten die Möglichkeit, sich ein ausdruckbares PDF mit dem Austrittsschreiben generieren zu lassen oder gleich dem Anbieter einfach die Informationen zu liefern und ihn den Rest erledigen zu lassen – inklusive Kommunikation mit den Kirchgemeinden, falls Fragen auftauchen oder keine Bestätigung des Austritts erfolgt. Hauptsächlich zwei Anbieter teilen sich den Kuchen in der Deutschschweiz: Stefan Job mit seiner Firma «DP Webmedia» und den Seiten austreten.ch, austritt.ch, sofort-kirchenaustritt.ch und kirchenaustritt-info.ch sowie Stefan Amrein (Simple-net AG) mit kirchen-austritt.ch und austritt-kirche.ch.

Probleme beim eigenen Austritt
Warum machen sie das? Bei Stefan Amrein sei die Idee aus dem eigenen Austritt entstanden, wie er auf Anfrage sagt. Er sei katholisch getauft, aber mit 18 ausgetreten, weil er nicht an eine Gottheit glaube und – selbst wenn das der Fall wäre – dafür auch keine Institution bräuchte, die Geld nimmt. Beim Kirchenaustritt habe er aber Probleme gehabt: «Mein Pfarrer – er war früher mein Religionslehrer – wollte ein persönliches Gespräch und hat meinen Austritt nicht bearbeitet, als ich auf seine Bitte um ein Gespräch nicht geantwortet habe.» Amrein hörte auch von anderen Austrittswilligen, dass ihnen Steine in den Weg gelegt würden. So begann er, die Unterstützung für einen Kirchenaustritt online anzubieten – anfangs für 99 Franken, mittlerweile gibt es ihn für 39 (PDF per Mail) oder 49 Franken (ausgedruckter Brief). Unterdessen listet er in einem «Problem-Blog» Beispiele von Fällen auf, wo das Prozedere aus Sicht der Austrittswilligen mühsam verläuft – und davon werfen einige Vorfälle ein zweifelhaftes Licht auf die kirchliche Kommunikation. Wie oft er seinen Service verkauft, sagt Stefan Amrein nicht. Gemäss eigenen Worten macht er aber nicht den grossen Reibach damit: «Die Website ist ein Hobby. Ich arbeite 100 Prozent als stellvertretender Geschäftsleiter einer Marketing- und Werbeagentur.» So könne man annehmen, dass die Aufträge über die Website «überschaubar» seien.

Vorgang ist eigentlich einfach
Dabei wäre ein Austritt aus der Kirche «eigentlich einfach», wie Nicolas Mori, Leiter Kommunikation der reformierten Zürcher Landeskirche, sagt: «Es reicht die simple Mitteilung an die Kirchgemeinde. Deshalb ist das Angebot auf den Websites Humbug.» Das sehen Stefan Amrein und Stefan Job wohl kaum so – doch selbst Job bietet unterdessen eine Gratis-Variante an. Eine Möglichkeit, die es im Übrigen auf einigen anderen Websites ebenfalls gibt. Im Kanton Zürich bietet die Landeskirche gemäss Nicolas Mori kein Formular für Austrittswillige an – eben weil gar keines nötig sei. Einzelne Kirchgemeinden wie etwa Uster (s. Kasten unten) handhaben es aber anders. Bei der Landeskirche Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso) können die Kirchgemeinden ein Austrittsformular behändigen, wie der Kommunikationsleiter Hans Martin Schaer sagt. Aber auch er betont, dass ein Brief reiche, in dem die austretende Person eindeutig identifiziert werden könne und der eigenhändig unterschrieben sei. Den Anteil Austretender mit gekauftem Service schätzt er als gering ein.

Kontakt mit Mitgliedern pflegen
In Weiterbildungsangeboten werde der Umgang mit Austrittwilligen nicht explizit behandelt, könne aber natürlich angesprochen werden, sagt Schaer. «Vielmehr stellen wir uns die Frage, wie wir den Kontakt behalten mit distanzierten, für uns 'unsichtbaren' Mitgliedern und ihnen unsere Wertschätzung vermitteln können». Dazu werde Refbejuso noch in diesem Jahr Vorschläge an die Kirchgemeinden richten. Zudem hat die Berner Landeskirche in diesem Frühjahr ein (Wieder-)Eintrittsportal frisch gestaltet (kircheneintritt.refbejuso.ch). Es soll gemäss Hans Martin Schaer deutlich machen, dass der Eintritt einladend, klar und einfach ist. Verlinkt ist die Website auch mit dem zentralen Portal kircheneintritt.ch. Es wurde von der reformierten Landeskirche von Baselland initiiert und nennt ansprechend gestaltet in Kürze gute Gründe für den Eintritt. Zudem sind bereits zahlreiche Landeskirchen aller Konfessionen verlinkt.

Auch Eintritte übers Webportal
Die Website entspreche offenbar einem Bedürfnis, sagt Elisabeth Wenk-Mattmüller, Kirchensekretärin der reformierten Kirche Baselland: Es träfen regelmässig Eintrittserklärungen von Menschen zwischen 25 und 80 Jahren über das Portal ein. Insbesondere werde das gesellschaftliche Engagement der Kirchen häufig als Argument genannt. Eine Vorlage für den Austritt gebe es bei ihnen nicht – Elisabeth Wenk begründet das genau gleich wie der Zürcher Nicolas Mori mit der Einfachheit des Vorgangs. Der Umgang mit Austrittswilligen werde aber immer wieder mit den Kirchgemeinde-Präsidien thematisiert: «Wir empfehlen, Auskunft zu geben, Entscheide zu akzeptieren und keine Verzögerungstaktik anzuwenden.» Genau das Verhalten also, das den Bezahl-Angeboten entgegenwirken dürfte.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Marius Schären / reformiert.info / 8. Juli 2016

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