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Das Leben auf den Tod malen

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19.10.2022
Der ukrainische Künstler Oleksandr Klymenko schreibt Ikonen auf das Holz von Munitionskisten. Im Krieg spenden die Kunstwerke Trost und erinnern an den Sieg des Lebens über den Tod.

Oleksandr Klymenko benutzt das Holz leerer Munitionskisten als Leinwand für seine Ikonen. Die Idee hatten er und seine Frau Sonia Atlantova, ebenfalls Künstlerin, bereits 2014, als Russland die Krim besetzte und im Donbass prorussische Milizen bewaffnete. Die beiden leben und arbeiten in Kiew. Mit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 erhielt ihre Ikonenkunst eine traurige neue Aktualität.

Die über tausend Jahre alte Kunstform der Ikonographie eigne sich am besten, um den mit modernster Technik geführten Krieg widerzuspiegeln, meinte der 46-jährige Ikonenmaler im Gespräch mit dem Ökumenischen Forum für Glauben, Religion und Gesellschaft in Ost und West G2W. G2W hat die Ausstellung zusammen mit dem ukrainischen Künstlerpaar konzipiert. Die Ikonen waren schon in mehreren europäischen Städten sowie in Kanada und den USA zu sehen und reisen Anfang Jahr nach Zürich. Zuvor gastieren die Werke in der Offenen Kirche Elisabethen in Basel.

«Die Werke zeugen davon, dass wir den Krieg nur mit Liebe überwinden können», sagt Klymenko. Mit den Ikonen erschafft er aus militärischem Abfall, der nach Tod riecht, lebensbejahende Kunst. Die Werke verwandeln Gewalt und Schmerz in Trost. In ihnen drückt sich die Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit aus.

Stumme Zeugen des Krieges
Den Ikonenzyklus «Mariupol-Deesis» beendete Klymenko im April dieses Jahres. Er ist der von den Russen fast völlig zerstörten Stadt Mariupol, ihren Bewohnerinnen und Verteidigern, gewidmet. Die insgesamt elf Ikonen zeigen Heilige mit Christus in ihrer Mitte. Der Zyklus stellt das Jüngste Gericht dar, wenn «die Heiligen und der Herr auf Seiten derjenigen sein werden, die jetzt leiden», erklärt Klymenko. Auf den Ikonen sieht man unten Menschen, die in den Ruinen beten. Er habe das Grauen selbst miterlebt als freiwilliger Helfer, sagt Klymenko. «Diese Menschen brauchen unsere Gebete.» Darum habe er die klassische Ikonographie erweitert und in den unteren Rand die Silhouette der zerstörten Stadt geschrieben, über die sich die Ikonen erheben.

Die Mariupol-Ikonen loszulassen, war für Oleksandr Klymenko schwierig. Erst habe er sie niemandem zeigen wollen, zu schmerzhaft und persönlich sei der Schaffensprozess gewesen. Beim Schreiben habe er sich an ein warmes, lebendiges Mariupol erinnert, das es nicht mehr gab. Im Frühling 2015 stellte er mit seiner Frau in der Hafenstadt die ersten Werke des Projektes «Ikonen auf Munitionskisten» aus. Vielleicht habe er sich schuldig gefühlt, dass er den Menschen nicht beistehen konnte, oder vielleicht habe er sich davor gefürchtet, die Wahrheit zu erzählen.

Die Soldaten sehen das Licht
Freiwillige sammeln die leeren Kisten an der Front. «Wenn ich zu den Soldaten komme, begrüssen sie mich begeistert und fühlen sich nicht mehr nur als Kanonenfutter. Die Ikonen sehen sie als Licht», so Klymenko. Im Krieg, wo der Tod jederzeit präsent ist, spürten alle – egal ob gläubig oder nicht – dass es etwas Transzendentes geben müsse. Für Oleksandr Klymenko heisst dies: «Licht ist Gott».

Der Erlös, den der Verkauf der Ikonen bringt, fliesst in das erste mobile Freiwilligenkrankenhaus bei Charkiw an der Front.

Karin Müller, kirchenbote-online

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