Der Bettag als Brücke in einer gespaltenen Welt
Wenn man in den Kalender schaut, dann liegt der Bettag genau zwischen dem 1. August und dem Erntedank im Oktober. Er liegt eingebettet zwischen einem Tag der ausgelassenen Feierlichkeiten zur Staatsgründung und der Dankesfeier für die Geschenke der Schöpfung. Nicht nur im Kalender, sondern auch in seinen Inhalten verbindet der Bettag Weltlichkeit mit Kirche und lädt zur Besinnung ein.
Der Bettag heute und damals Die Ursprünge des Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettags lassen sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Vor dem Hintergrund konfessioneller Spannungen und Auseinandersetzungen rief der Staat besondere Tage der Busse aus, um die Bevölkerung zum gemeinsamen Gebet zu bewegen. Heute überwindet der Bettag konfessionelle Grenzen und will Menschen jeder Glaubensrichtung zusammenführen.
«Früher durften wir am Bettag nicht einmal Fussball spielen», erinnert sich Matthias Plattner und lacht. «Turnfeste? Konnte man an dem Tag gleich vergessen! Die Welt lag still.»
Als Fussballfan ist Matthias Plattner heute nicht traurig, dass sich die Bräuche etwas gelockert haben. Dennoch sieht er im Aufrechterhalten des Bettags auch eine Stärke. «Jeder Gedenktag macht nur Sinn, wenn er auch befolgt wird», erklärt er. «Wichtig ist, dass sich die Menschen zumindest an dem Tag Zeit nehmen für Demut und Dankbarkeit.»
Ueli Mäder zur Verantwortung der Gesellschaft
Sissach hat eine fast 30-jährige Bettagstradition. Dieses Jahr wird der Ur-Sissacher und renommierte Soziologe Ueli Mäder die Gastrede halten. Das Thema: «Wozu sich besinnen und engagieren?» Mäder wird darin auf die Frage eingehen, wie wir uns als Gesellschaft in einer zunehmend unsicheren Welt bewegen können. «Gewalt, soziale Spannungen und ökologische Schäden bewegen und ernüchtern uns», schreibt er in seinem Teaser. «Sie berühren unsere Zuversicht und gefährden sogar den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Was tun? Sich besinnen und engagieren.»
Einen Schritt zum Engagement bietet die Kollekte. Sie geht an das Kinder-Selbsthilfeprojekt Tatu Tano in Tansania. Auch Mäders Gehalt wird in die Kollekte fliessen. «Es ist eine grosse Freude für mich, die Kanzel freigeben zu dürfen für Menschen, die auch etwas zu sagen haben», meint Matthias Plattner. Der Gottesdienst wird in Zusammenarbeit mit der katholischen Pfarrei sowie der lokalen Freikirche Bewegung Plus organisiert.
Gemeinsam für den Frieden – der Bettag als Chance zur Besinnung
In einer fragmentierten Welt kann der Bettag solidarisierend wirken. In Zeiten politischer Polarisierung ist es umso wichtiger, sich in einen Zustand der Dankbarkeit zu versetzen. «In der Schweiz geboren zu werden, ist eines der grössten Privilegien überhaupt», glaubt Matthias Plattner. «Der Bettag lässt uns über unser eigenes Land nachdenken, aber auch über unsere Rolle in Europa – und der Welt. Wir sind keine Insel, sondern können trotz unserer Kleinheit am Weltgeschehen teilnehmen.»
Besinnung heisse demnach, so Plattner, sich mit anderen Menschen zu verbinden. Besinnung heisse, Wachwerden für die Konflikte unserer Zeit und sich für den Frieden einsetzen. Frieden entstehe in der Politik, aber er wachse vor allem auch im Zwischenmenschlichen. Im Zusammenkommen. Beten. Feiern. Dazu würde der Bettag einladen.
Der Bettag als Brücke in einer gespaltenen Welt