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Fortpflanzungsmedizin

«Der Bundesrat geht das Thema sorgfältig an»

von Marius Schären/reformiert.info
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22.02.2025
Eizellenspenden sollen in der Schweiz möglich werden. Jedenfalls möchte das der Bundesrat. Die reformierte Kirche sieht es positiv – im Gegensatz zu zwei christlichen Parteien.

Seit 2001 sind Samenspenden in der Schweiz legal, sofern sie nicht anonym erfolgen – seit 2022 auch für verheiratete lesbische Paare. Das Pendant für Frauen – die Eizellenspende – ist dagegen bis heute verboten. Deshalb reisen Menschen, die von diesem medizinischen Eingriff profitieren wollen, um ein Kind zu bekommen, in Länder, wo die Spende rechtmässig ist.

Nun sollen auch hierzulande Eizellenspenden zugelassen werden. Und sowohl Samen- als auch Eizellenspenden sollen unverheirateten Paaren ermöglicht werden. Am 30. Januar hat der Bundesrat bekanntgegeben, dass er entsprechende Änderungen im Gesetz zur Fortpflanzungsmedizin vornehmen will.

Konkrete Umsetzung braucht noch Zeit

Noch sind einige Punkte ungeklärt, wie die Umsetzung konkret erfolgen würde. Bis Ende 2026 will der Bundesrat klären, wie beispielsweise Eizellenspenden aus finanzieller Not verhindert werden sollen. Oder in welchem Mass Krankenkassen die teure Massnahme bezahlen sollen. Oder bis zu welchem Alter Frauen auf diesem Weg Mutter werden können sollen.

Nicht zuletzt sind fundamentale gesellschaftliche Themen mit der geplanten Gesetzesänderung verknüpft. Sowohl die Eidgenössisch-demokratische Union (EDU) als auch die Evangelische Volkspartei (EVP) haben umgehend nach der Mitteilung des Bundesrates negativ reagiert. Die EDU sieht einen «weiteren verfassungswidrigen Dammbruch» und «Kinder als Ware» kommen. Die EVP findet es «falsch, diese körperliche Ausbeutung von Frauen zu legalisieren»

EKS ist nicht gegen Eizellenspenden

Ausserdem gehe der Bundesrat «blauäugig in dieses Thema», hält die Evangelische Volkspartei in ihrer Stellungnahme weiter fest. Diesem Vorwurf widerspricht die Evangelische-reformierte Kirche Schweiz (EKS). «Der Bundesrat geht das Thema sorgfältig und schrittweise an», sagt Stephan Jütte, Leiter des Kompetenzzentrums Theologie und Ethik der EKS, auf Anfrage. Die defensive Haltung der Regierung in der Vergangenheit verdeutliche das auch.

Es braucht klare gesetzliche Rahmenbedingungen.

In Jüttes Antworten kommt zum Ausdruck: Die EKS stellt sich nicht gegen die Legalisierung von Eizellenspenden. Aber es sei ein «ethisch anspruchsvolles Thema». Einerseits könnten Spenden helfen, andererseits bestünden diverse Risiken. «Es braucht klare gesetzliche Rahmenbedingungen», heisst das für den Theologen. Denn gewährleistet werden müssten die rechtlichen und ethischen Grundsätze der Menschenwürde und Persönlichkeitsrechte, zudem der Schutz der körperlichen Integrität sowie der Schutz vor Instrumentalisierung und Missbrauch.

Der Schutzbedarf ist gross

Für die EKS müssten vier Punkte beachtet werden, damit Eizellenspenden ethisch vertretbar wären, erläutert der Leiter der Theologie und Ethik.

  • Freiwilligkeit und Informiertheit: Die Spenderinnen müssen umfassend über medizinische, psychische und soziale Folgen aufgeklärt werden. 
  • Keine finanziellen Anreize: Eine Vergütung über eine Aufwandsentschädigung hinaus birgt die Gefahr der Kommerzialisierung und sozialen Ungleichheit. 
  • Schutz der Rechte des Kindes: Ein Kind muss das Recht haben, seine genetische Herkunft zu erfahren. 
  • Begleitende Evaluation: Die psychischen und gesellschaftlichen Auswirkungen auf Spenderinnen, Kinder und Familien müssen durch wissenschaftliche Forschung begleitet werden. 

Die Freiheit, sich fortpflanzen zu können, sei nur eine individuelle Entscheidung, sondern habe weitreichende Folgen, betont Jütte einen weiteren Punkt, den die EKS als zentral erachtet. «Die Entscheidung für eine Eizellspende betrifft beispielsweise nicht nur die Wunscheltern – sondern auch die Spenderin, das Kind und das soziale Umfeld.» Auch Fragen des Kindes zu seiner Identität und mögliche psychologische Belastungen für alle Beteiligten müssten berücksichtigt werden.

Die Auswirkungen reichen weit

Weiter prägten neue Regeln für Fortpflanzungstechnologien gesellschaftliche Normen und Werte. «Sie beeinflussen das Verständnis von Elternschaft, Familie und reproduktiver Autonomie und werfen Fragen nach Zugänglichkeit und Chancengleichheit auf», sagt der Theologe.

Wenn alleinstehende Frauen durch Samenspende Mutter werden dürfen, wäre eine Einschränkung der Eizellenspende auf Paare nicht konsequent.

Und zu beachten sei auch, dass Entscheide in diesem Bereich langfristige Folgen für kommende Generationen hätten. «Dazu gehört beispielsweise das Recht des Kindes, seine genetische Herkunft zu kennen.» Aber auch ethische Überlegungen zu reproduktiven Technologien seien wichtig. Denn diese prägten die künftigen Familienstrukturen mit. So sei eine ethische Reflexion wichtig, um eine ausgewogene und gerechte Regelung zu finden.

Nur für Paare wäre nicht konsequent

In einem Punkt äussert Stephan Jütte den Standpunkt der EKS als noch weiter gehend als der Bundesrat. Dieser möchte Eizellenspenden nur Paaren ermöglichen. Gemäss Jütte gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz aber auch im Blick auf den Umgang mit diversen Familienformen. Das heisst: «Wenn alleinstehende Frauen durch Samenspende Mutter werden dürfen, wäre eine Einschränkung der Eizellenspende auf Paare nicht konsequent.»

Entscheidend sei schliesslich, dass das Wohl des Kindes gewährleistet ist – unabhängig vom Familienmodell. Also sollten alle Menschen Zugang haben zu «medizinischen Verfahren der assistierten Fortpflanzung» – sofern nicht übergeordnete Zwecke dagegensprächen.

 

Weitere Standpunkte und Überlegungen zu Forpflanzungsmedizin und Familienformen sind auf der Website der EKS zu finden:

Zehn Fragen und Antworten zu Ehe, Elternschaft und Kinder

Zehn Fragen und Antworten zu «Fortpflanzungsmedizin um der Kinder willen»

 

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