«Der Dachstock ist der gefährlichste Ort»
Frau Loeffel, wie haben Sie vom Brand erfahren?
Am Montagabend erhielt ich ein SMS vom Münster-Sigristen Felix Gerber – dann sass ich bis spät in die Nacht vor dem Fernseher.
Wie erging es Ihnen?
Es hat mich enorm betroffen gemacht. Und es löste viele Fragen aus: Wie kann sich das Feuer so schnell ausbreiten? Wie geht die Feuerwehr vor? Was kann ich daraus lernen, was bedeutet das für unser Münster? Schliesslich gibt es auch bei uns immer Baustellen, und diese sind das grösste Risiko in historischen Bauten.
Haben Sie das Gefühl, genug zu machen?
Ich denke, wir machen das Möglichste. Es ist immer ein Abwägen: Wie viel Schutz wollen wir und wie viel Zugang und Originalzustand? Letztlich ist klar, dass immer etwas passieren kann. Vandalismus, Terror oder Unachtsamkeiten und Unfälle sind schlicht nicht völlig auszuschliessen.
Was wird im Berner Münster für die Sicherheit getan?
Wir sind seit 2006 intensiv daran, ein Sicherheitskonzept umzusetzen. Damals ging die Gebäudeversicherung durch die Kirche und erstellte eine riesige Mängelliste. In erster Linie arbeiten wir präventiv: Wo es möglich ist, entfernen wir das Holz. Brennbares Material reduzieren wir aufs Minimum, vor allem in den Estrichen. Wenn es vor Ort bleiben muss, kommt es in Container. Wir schaffen Abschnitte mit brandsicheren Türen, achten genau darauf, wer wo Zugang hat. Bei den elektrischen Installationen gibt es nach wie vor immer wieder Verbesserungsmöglichkeiten. Und bei Baustellen gelten immer erhöhte Sicherheitsmassnahmen.
Wo könnte am ehesten ein Brand ausbrechen?
Am gefährlichsten ist der Dachstuhl. Das viele Holz wurde früher als Schutz mit Carbolineum behandelt – das würde heute zusätzlich als Brandbeschleuniger wirken. Aber trotzdem kann ein Feuer nicht einfach so schnell mit einem Zündholz entfacht werden.
Ein Kommentator auf einer Website meinte zum Notre-Dame-Brand, es sei eigentlich gar nicht viel passiert, das Wiederaufbauen des Dachstockes werde ein Leichtes sein.
Das stimmt natürlich nicht, es sind immerhin auch Gewölbe eingestürzt. Zudem sind zahlreiche Zeugen der Geschichte unwiederbringlich verloren, Malereien, altes Handwerk; das ist sehr tragisch.
Welches sind die grössten Herausforderungen beim Wiederaufbau?
Da gibt es viele. Erst mal ganz grundsätzliche Fragen: Wie geht man vor? Wie soll was wiederhergestellt werden? Soll man nach- oder neubauen? Verwendet man modernste Techniken wie etwa 3-D-Druck oder arbeitet man mit altem Handwerk über eine sehr lange Zeit? Auf was beruft man sich bei der Restauration? Schliesslich geht es auch um gesellschaftliche und kirchliche Entscheidungen: Was ist warum notwendig oder angebracht?
Hilft man sich da unter Fachleuten?
Ja, schon gestern Nacht erhielt ich erste SMS aus der Dombaumeistervereinigung. Das Ereignis beschäftigt sehr. Und ganz sicher wird die Notre Dame nie wieder so sein, wie sie war. Das ist schon traurig.
Marius Schären, reformiert.info, 17. April 2019
«Der Dachstock ist der gefährlichste Ort»