Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug

Der Glöckner von SRF

min
02.10.2020
18 Jahre lang hat Hans-Beat Flückiger die Kirchenglocken erklingen lassen. Jeweils am Samstagabend läuteten seine «Glocken der Heimat» auf Radio SRF 1 den Sonntag ein. Ab Januar geht er in Pension.

Was ist für ihn das schönste Geläut in der Schweiz? «Natürlech das vom Bärner Münschter», antwortet Hans-Beat Flückiger im breiten Berndeutsch. «Das geiht bis id Chindheit zrügg.» Wenn der 63-Jährige von der Sendung «Glocken der Heimat» erzählt, dann spürt man seine emotionale Verbindung. Seit 18 Jahren hat Flückiger den Glockenklang zu seinem Beruf gemacht. Er sorgt dafür, dass um circa 18.50 Uhr die Glocken aus einem Schweizer Kirchturm den Sonntag einläuten. Fünf Minuten lang dauert dies, dazu stellt ein Moderator die Glocken, die Kirche oder deren Umfeld vor.

Die älteste Radiosendung
Die Sendung gibt es seit 1925, sie ist damit die älteste des Schweizer Radios. Ihre hohe Zeit hatte sie während der geistigen Landesverteidigung im Zweiten Weltkrieg. Früher war diese Sendung ein Ereignis, zu dem die ganze Familie vor dem Radio sass. Bis heute sei die Sendung sehr beliebt, erzählt Flückiger. Sie verzeichnet eine Einschaltquote von 250 000. Regelmässig bekommt Flückiger Vorschläge, welche Glocken er noch vorstellen könnte.

Das Glocken-Archiv im Untergeschoss des Radiostudios Bern, in dem die Aufnahmen in langen Compactus-Regalen lagern, ist beeindruckend. Rund 5000 Aufnahmen, fein säuberlich angeschrieben – 3200 davon digitalisiert. Jährlich kommen zwanzig Aufnahmen hinzu, die ein Tontechniker vor Ort einfängt. Man habe jedoch noch lange nicht jedes Geläute aufgenommen, das es in der Schweiz gibt, sagt Flückiger. Es fehlten noch viele, gerade aus dem Bündnerland, dem Züribiet oder dem Raum St. Gallen. «Wenn man etwas mit Leidenschaft betreibt, sieht man vor allem die Lücken», gesteht Flückiger.

Kultur, Geschichte und Geografie
2002 übernahm Hans-Beat Flückiger die Sendung. Er sei wie die Jungfrau zum Kind dazu gekommen, erzählt er. Sein Vorgänger Georg Wettstein sei pensioniert worden und man fragte ihn an. Als er die Stelle antrat, wurde er von vielen als «Radioglöckner» und «Glockenheini» belächelt. Die Sendung werde sowieso bald abgesetzt, wurde ihm prophezeit. Doch Flückiger kniete sich hinein, recherchierte, stieg auf Kirchtürme, entzifferte die Glockensprüche, befragte Geistliche und Sigristen, erstellte die Programmplanung fürs ganze Jahr und schrieb die Moderation. Flückiger entdeckte, wie spannend Glocken sind. «Hier fliessen Kultur, Geschichte und Geografie zusammen», sagt er, «Glocken takten die Zeit und den Alltag und verkünden Hochzeiten und Beerdigungen.»

Hans-Beat Flückiger findet es unverständlich, dass Neuzugezogene juristisch gegen das Geläute der Kirchen in der Nachbarschaft vorgehen. «Glocken gehören zu unserer Kultur», wen es störe, der solle eben nicht dorthin ziehen. «Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Glocken nachts zu jeder Stunde schlagen sollen.»

Hans-Beat Flückiger hat es nie bereut, die Sendung übernommen zu haben. Wenn er in seiner Freizeit unterwegs ist, gehört es für ihn dazu, die Kirchen und ihre Glocken zu besuchen. Das wird sich auch nach seiner Pensionierung nicht ändern.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online

Die Glocken werden am Samstagabend auf Musikwelle um 17.20/17.30 Uhr gesendet, auf Radio SRF 1 am Schluss der Sendung «Zwischenhalt», ca. 18.50 Uhr

Unsere Empfehlungen

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Wie das Christentum zu den Ostereiern kam (1)

Ostern ist der höchste Feiertag für die Christenheit. An diesem Tag feiern die Gläubigen die Auferstehung des Herrn. Doch wer in diesen Tagen die Läden betritt, stellt rasch fest: Der eigentliche Star heisst Meister Lampe. Wie kommt das Christentum zu den Eiern und den Hasen?
51 Jahre für die Musik

51 Jahre für die Musik

Als 15-Jährige spielte Elisabeth Schenk erstmals in einem Gottesdienst. Der Winznauer Pfarrer hatte sie angefragt. Aus diesem Auftritt wurden 51 Jahre, in denen Schenk die Kirch­gemeinde musikalisch begleitete.
Mani Matter: Die Menschen haben Gott vergessen

Mani Matter: Die Menschen haben Gott vergessen

50 Jahre nach Mani Matters Tod zeigen neue Dokumente: Der Chansonnier war auch ein Gottsucher und plante gar eine «Verteidigung des Christentums». Der Revoluzzer und gedankliche Querschläger war zwar ein Kritiker der Kirche, setzte sich aber für die Bewahrung des christlichen Fundaments ein.