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Der «Marktschreier» ist ein biblischer Storyteller

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22.03.2018
Die Wirtschaft und die Kirche sind für Hans Weber keine entgegengesetzten Pole. Der Pfarrer von Sempach profitiert heute von seinen Erfahrungen als Werber und Kommunikator.

«Sie sind ein Typ, der auch an einer Chilbi Gemüseraffeln verkaufen könnte», sagte ihm der frühere Synodalratspräsident, als er sich nach seinem Studium für die erste Pfarrstelle bewarb. Ganz klar: Die Kirche wollte den Mann als Pfarrer, der als Kommunikationstalent gilt und dies in der Wirtschaft bereits erfolgreich als Pressesprecher bei den SBB und später als Marketingleiter bei den Rigibahnen unter Beweis gestellt hatte. Seit fünf Jahren ist Hans Weber nun Pfarrer in Sempach – in einer Kirche ohne Kirchturm und im Schatten der mächtigen katholischen Kirche des historischen Städtchens.

Der Kommunikator
Brauchen die Reformierten wirklich einen «Marktschreier», einen «Verkäufer» der Kirche und der frohen Botschaft? Und: Ist Hans Weber überhaupt so einer? Der 55-Jährige winkt ab. Die Botschaft der Bibel sei so gut, dass man sie nicht «verkaufen» müsse. Weber spricht lieber von «transportieren». Was er damit meint: «Ich suche in den biblischen Botschaften ihre Bedeutung für unseren modernen Alltag. So werden die drei- und zweitausend Jahre alten Geschichten wieder aktuell.» So könne man aufzeigen, dass das Evangelium und die biblische Botschaft noch kompatibel sind mit der heutigen Zeit: «Man kann sich auch einreden, die Kirche sei auf dem absteigenden Ast. Ich erlebe jeden Tag, welche positive Kraft in der Kirche steckt und was diese bei den Menschen bewirken kann.»

Als eine seiner Stärken bezeichnet Hans Weber die Kommunikation. Er sei ein bodenständiger Typ, sagt er. Der einjährige Arbeitseinsatz bei Schweiz Tourismus in New York City hat bei ihm sprachlich Spuren hinterlassen. Wenn er redet kommen ihm immer wieder Worte wie «Groove» und «Drive» über die Lippen.

Als Pfarrer wolle er die Sprache der Leute reden und verstanden werden ohne dabei trivial zu wirken. Das sei ihm wichtig. Es gebe aber auch Stimmen, die finden, er sollte intellektueller predigen. Aufgrund seines Theologiestudiums könnte Weber das tun, aber er findet, dass es auf eine gute Mischung ankommt, damit er die Menschen erreicht. Diese Sprache zu finden, macht ihm auch Spass.

Damit die Bibel verstanden werde, müsse diese nicht neu geschrieben werden. Das Buch der Bücher habe in den Jahrhunderten nach Jesus immer wieder Änderungen erfahren. Dabei hätten Redaktoren entschieden, was hineinkomme und was nicht.

Wirtschaft und Kirche befruchten sich
Offensichtlich sei es ein Bedürfnis der Menschen, die Bibel zuweilen ein bisschen umzuschreiben, wie das Beispiel der «Bibel in gerechter Sprache» zeige. Er könne ganz gut mit der Bibel, so wie wir sie seit alter Zeit haben, leben, sagt Weber. Selber gehe er als überzeugter Reformierter gerne auf die Urschrift in Hebräisch und Griechisch zurück.

Seine Zeit in der Wirtschaft und als Offizier im Militär kommen ihm in seiner heutigen Tätigkeit zugute. Er denkt dabei an seine Erfahrung, die er im Management sammeln konnte, zum Beispiel Führungsprozesse und Strategien zur Problemlösung. Für Hans Weber sind Wirtschaft und Kirche nicht zwei grundsätzlich verschiedene Welten. «Die Kirche ist nicht nur ‹links und nett›, und viele Gottesdienstbesucher sind ja in der Wirtschaft tätig.» Er ist überzeugt, dass sich die Welten der Wirtschaft und der Kirche überschneiden und sie voneinander lernen können. Es geht ihm dabei um die gegenseitige Vertiefung und Anreicherung mit Sinn.

Der Spätberufene
Seinen Wechsel von der Wirtschaft in den Pfarrberuf ist für ihn, der sich schon immer als Sinnsucher verstand, deshalb auch keine 180-Grad- Kehrtwende. Natürlich freut sich Weber, dass er sein Wissen und seine Erfahrungen aus der Wirtschaft im Pfarramt anwenden kann. Er nennt dabei etwa das ökonomische Haushalten mit den Sinnen, aber auch mit den Kräften, und fügt mit einem schelmischen Lächeln an, er sei halt schon ein bisschen ein Calvinist.

Anfang 40 hängte Weber seinen gut bezahlten Job bei den Rigibahnen an den Nagel und gab seinem Leben eine neue Richtung. In der Theologie fand er das, wonach er suchte: Spiritualität und Tiefgang. Mit dem Studium verbunden war der Umzug auf den Campingplatz in Vitznau, um Geld für die Studienjahre ohne Einkommen zu sparen.

Der Aufwand habe sich aber gelohnt, sagt er. Nichts, was er von seinem früheren Leben vermisst? «Doch, vielleicht die Messbarkeit von Aufwand und Ertrag. Die gibt es nicht im Pfarrberuf. Und: Ich muss immer noch lernen, auch einmal Nein zu sagen. Denn: Heterogene Ansprüche der Gemeinde an ihren Pfarrer und Arbeit für ihn gibt es rund um die Uhr.

Philippe Welti, kirchenbote-online, 22. März 2018

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