«Der ‹Plan P› bringt viele negative Aspekte»
In den nächsten 15 Jahren werden 300 Pfarrstellen nicht besetzt werden können. Das geht aus Berechnungen des Konkordats für die Pfarrausbildung hervor, der 19 der insgesamt 24 evangelisch-reformierten Schweizer Kantonalkirchen angehören (der «Kirchenbote» berichtete). Darum schlug das Konkordat den sogenannten «Plan P» vor: Berufsleute mit Hochschulabschluss, aber ohne Theologiestudium, sollen eine Pfarrstelle übernehmen können. Das Auswahlverfahren unterliegt strengen Kriterien, und gleichzeitig mit der Anstellung beginnt eine dreimonatige Ausbildung.
Der Vorschlag befindet sich derzeit in der Vernehmlassung. Dazu eingeladen wurde auch der Verein Quest-Netzwerk. Dieser vernetzt Studierende sowie Absolventinnen und Absolventen des Quereinstiegs ins reformierte Pfarramt (Quest) und setzt sich für deren Anliegen ein. Quest ist ein Angebot des Konkordats und hat zum Ziel, den Pfarrmangel zu lindern. Dem «Plan P» steht der Verein Quest-Netzwerk kritisch gegenüber. Er schlägt darum andere Massnahmen vor.
Was kritisiert der Verein Quest-Netzwerk am «Plan P»?
Susanne Amsler, Co-Präsidentin Verein Quest-Netzwerk: Unser Verein ist der Meinung, dass die Kirche theologisch qualifiziertes Personal braucht, um die Angebote der Kirche auch theologisch zu füllen. Die Kirche macht nicht irgendwelche Angebote, sondern bringt christliche Traditionen, Werte und Ethik in die Gesellschaft ein. Auch in säkularen Angeboten der Kirche, zum Beispiel für Menschen am Rande der Gesellschaft, muss dieser Auftrag umgesetzt werden. Um den Menschen die Bibel und die christlichen Werte im heutigen Kontext näher zu bringen, bedarf es fundierten Kenntnissen der Theologie, aber auch der Seelsorge, der Gemeindeentwicklung oder der Kirchengeschichte. Akademiker und Akademikerinnen ohne theologische Kenntnisse sind darum für das Pfarramt ungeeignet. Es mag sein, dass der Pfarrmangel ein Notfall ist und es einen Notfallplan braucht. Die über den «Plan P» rekrutierten Mitarbeitenden sollten die Kirchgemeinden entlasten können. Dazu fehlt ihnen aber der entsprechende fachliche und praktische Hintergrund und sie werden aufgrund der aktuellen Personalsituation kaum ausreichend eingearbeitet werden können.
Was schlägt der Verein dagegen vor?
Wir haben bei unseren Massnahmen darauf fokussiert, wo die Kirche zusätzliche Mitarbeitende finden und mobilisieren könnte, welche schon die nötigen theologischen Kenntnisse mitbringen. Ein Vorschlag ist es, Quest-Studierende vorzeitig zur Arbeit in den Kirchgemeinden zuzulassen. An theologischen Fakultäten studieren auch viele Pensionierte oder Interessierte, die Freude an der Theologie und den theologischen Inhalten haben. Diese Leute bringen viele theologische Kenntnisse mit und könnten allenfalls gewisse Teilzeitstellen oder Stellvertretungen übernehmen. Zudem sollte es bessere Anreize geben, dass ordinierte Theologen und Theologinnen, die nicht mehr als Pfarrer oder Pfarrerin arbeiten, wieder zumindest Stellvertretungen im Pfarramt übernehmen.
Die am meisten betroffenen Kirchgemeinden werden durch den «Plan P» belastet statt entlastet.
Könnten diese Massnahmen genügend Pfarrpersonal generieren, um den vorhergesagten Pfarrmangel aufzufangen?
Das ist schwierig zu sagen. Es scheint, dass die Verantwortlichen im Konkordat davon ausgehen, dass man momentan nicht mehr Leute für den Pfarrberuf begeistern kann. Wir sind der Meinung, dass nicht alle Personalpools ausgeschöpft werden und das Quest-Studium in vielen relevanten Berufsgruppen zu wenig bekannt ist. Der Verein ist deshalb überzeugt, dass seine vorgeschlagenen Massnahmen viel zielführender sind als der «Plan P». Wo das grösste Potenzial dieser Massnahmen liegt, würde man sehen, wenn man sie ausprobiert.
Wäre aus Ihrer Sicht eine Kombination beider Vorschläge denkbar? Oder geht es für Sie um Grundsätzliches, das unvereinbar ist mit dem «Plan P»?
Es ist nicht am Verein zu entscheiden, welche die sinnvollste Massnahme ist. Der «Plan P» bringt aber viele negative Aspekte, gerade für die Kirche und ihre Mitarbeitenden. Die am meisten betroffenen Kirchgemeinden werden durch den «Plan P» belastet statt entlastet und der «Plan P» bindet viele kirchliche Ressourcen in eine einzelne Massnahme, die die fehlenden 300 Pfarrpersonen wohl kaum zu rekrutieren vermag.
Wie geht es nun weiter?
Bis Anfangs März läuft die Vernehmlassungsfrist zum «Plan P», im Juni entscheidet das Konkordat darüber.
Die Massnahmenvorschläge des Vereins Quest-Netzwerk im Detail
Der Verein Quest-Netzwerk schlägt vor, …
… den Teilzeit-Einstieg ins Pfarramt für Quest-Studierende während des Studiums zu erleichtern. Viele Quereinsteiger können ihr Studium nicht durch Erspartes, ausserkirchliche Tätigkeit oder Stipendien finanzieren. Ein erleichterter vorzeitiger beruflicher Einstieg könnte der Kirche und den Studierenden dienen.
… die finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen für den Quereinstieg zu verbessern. Quereinsteiger und -einsteigerinnen nehmen während ihrem Studium grosse Erwerbsausfälle und Einbussen in ihrer Altersvorsorge in Kauf. Mit einem Ausbau der finanziellen Unterstützung, einer individuelleren Studiengestaltung, vermehrten Online-Angeboten sowie Personal-Marketing könnte das Quest-Programm zugänglicher und attraktiver gemacht werden.
…gezielt älteren Regelstudierende anzuwerben. An den theologischen Fakultäten studieren zahlreiche Personen, welche die Altersgrenze für die Quest-Zulassung überschritten haben oder nicht Vollzeit im Pfarramt arbeiten möchten. Es gilt, diese für den Gemeindedienst zu gewinnen, zum Beispiel für Stellvertretungen in Kirchgemeinden.
… Anreize für ordinierte Theologen und Theologinnen zu schaffen, dass sich diese wieder in den Gemeindedienst begeben. Denn viele ordinierte Pfarrpersonen arbeiten in administrativen Stellen oder ausserhalb der Kirche.
… Stellenprofile zu schärfen und zu spezialisieren. Anstelle eines neuen Allrounder-Programms sind spezifische Beauftragungen vorzusehen, zum Beispiel in der Seelsorge. Zudem sind Pfarrpersonen in Arbeitsfeldern und (administrativen) Tätigkeiten zu entlasten, wo andere kirchliche Mitarbeitende deutlich besser ausgebildet sind.
«Der ‹Plan P› bringt viele negative Aspekte»