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Die Erfindung des Weihnachtsfestes

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21.12.2022
Wenn die Tage am dunkelsten sind, feiern wir Weihnachten. Dies scheint kein Zufall. Das Historische und Völkerkundemuseum St. Gallen belegt dies in seiner neusten Ausstellung. Es rückt dabei die Bedeutungsgeschichte der Wintersonnenwende ins Zentrum.

Statt christliche Reliquien hervorzukramen, die Bibel zu zitieren und gemalte Weihnachtsszenen aufzuhängen, zeigt das Historische und Völkerkundemuseum St. Gallen HVM archäologische Hinterlassenschaften aus der Ostschweiz, namentlich dem Kanton St. Gallen. «Wir wollen mit dieser Ausstellung eine der drei Sparten unseres Hauses, die Archäologie, sichtbar machen», sagt Ausstellungskuratorin Rebecca Nobel. Archäologische wie auch kulturhistorische Objekte zeugen nun davon, dass die frühen Christen nicht die ersten waren, die sich der Symbolik der Wintersonnenwende bedienten, dem kürzesten Tag also. Danach werden die Tage stetig länger und Licht und Wärme kehren zurück.

Kreisgrabenanlagen, Stonehenge
Die Bedeutung der Wintersonnenwende lässt sich bis in die Jungsteinzeit verfolgen. Im 6. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, als die Menschen sesshaft wurden, war es wichtig, zum richtigen Zeitpunkt zu säen. Dies bedingte Kenntnisse über das Sonnenjahr, das Beobachten des Mond- und Sonnenzyklus. Zur Bestimmung der Sonnenwenden sowie der Tag- und-Nachtgleiche wurden Kreisgrabenanlagen gebaut. Sie bestanden aus ringförmigen Gräben, Erdwällen und Palisaden. Öffnungen und Ausrichtung zeigten, dass hier der Sonnenauf- und -untergang des kürzesten und längsten Tages beobachtet wurde. Die Anlagen, die in Mitteleuropa im 5. Jahrtausend entstanden, hatten kultische Bedeutung. Es ist zu vermuten, dass auch Stonehenge astronomisch genutzt wurde.

«Die unbesiegte Sonne»
In der späten Bronzezeit (1300 – 800 v. Chr.) verbreitete sich  die Vorstellung, dass die Sonne auf einem Schiff über den Horizont reist. Allmählich vollzog sich ein Wandel von der Sonne als göttliche Kraft zu den ersten Sonnengottheiten. Das alte Rom feierte am Tag der Wintersonnenwende den «Sol invictus». Als Geburtstag des unbesiegten Sonnengottes galt spätestens ab dem 4. Jahrhundert der 25. Dezember, der Tag der Wintersonnenwende. «Damals war ja der julianische Kalender noch massgebend», erklärt Nobel. Mit der «unbesiegten Sonne» eng verwandt ist der Gott Mithras, dessen Kult mit einem Altar aus den Ausgrabungen in Kempraten, Rapperswil-Jona, belegt ist. Im Laufe der Zeit verschmolzen Mithras und Sol zu einem Gott, Sol Invictus Mithras.

Geburtstag Jesu liegt im Dunkeln
Die Christen feierten Weihnachten bis Ende des 4. Jahrhunderts nicht. Im neuen Testament wird Christi Geburt nur von den Evangelisten Lukas und Matthäus geschildert, jedoch in abweichenden Versionen. Einen Hinweis auf ein Geburtsdatum des Messias findet sich nicht. Auch glaubten die ersten Christen, die Geburt Jesu erfolgte im Frühling. Die Gründe, warum der 25. Dezember schliesslich als Geburtstag Jesu festgelegt wurde, lägen im Dunkeln, so Nobel. Eindeutige Quellen oder Berechnungsgrundlagen fehlten.

Das erfundene Weihnachtsfest
Möglich ist, dass der Kult des Sol Invictus Mithras verdrängt wurde, zumal auch Christus als Sonne der Gerechtigkeit oder als Licht der Welt bezeichnet wird. Auch wenn Papst Leo der Grosse im 5. Jh. noch betonte, bei Weihnachten handle es sich nicht um ein Sonnenwendfest – Fakt ist, dass mit Weihnachten am 25. Dezember, Maria Verkündigung am 25. März und dem Johannistag, dem Hochfest der Geburt von Johannes dem Täufer, am 24. Juni drei wichtige christliche Feiertage die Sonnenwenden und eine Tag-Nacht-Gleiche besetzen. Der Titel des Schaukastens «Die Erfindung des Weihnachtsfestes» darf deshalb im Raum stehen. «Wir sagen aber nur, dass das Fest erfunden ist, nicht Christi Geburt», präzisiert Nobel.

Das Mutieren der Weihnacht vom Kirchen- zum Familienfest begann während der Reformation. «Die Wintersonnenwende, die am 21. Dezember stattfindet, hat im Gegensatz zu früheren Religionen heute keine tiefere Bedeutung mehr. Hingegen freuen wir uns alle, wenn die Tage nach Mitte Dezember wieder länger werden», sagt die Kuratorin.

Text und Fotos: Katharina Meier, kirchenbote-online

Ausstellung «Weihnachten – Archäologie eines Festes», www.hvmsg.ch, bis 29. Januar

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