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Im Kino: City of Wind

Die erste Liebe zwischen Hochhausschluchten und Jurten

von Anouk Holthuizen / reformiert.info
min
05.07.2024
«City of Wind» ist das feinfühlige Erstlingswerk der mongolischen Autorin Lkhagvadulam Purev-Ochir. Eine Coming-of-Age-Geschichte über einen Teenager, der seine Rolle als Schamane im Dorf mit dem Alltag als Teenager vereinbaren muss.

Eine Jurte, Kerzenlicht, ein Schamane – ein Film aus der Mongolei könnte nicht typischer beginnen. Doch das Gefühl von «kennen wir» verschwindet rasch. Der Schamane, der eben noch mit tiefer Stimme dem alten Mann mitteilt, dass sein Tod nicht so nahe ist wie dieser denkt, erwacht aus der Trance und zieht seine Fransenmaske aus.

Zum Vorschein kommt eine Figur, die so gar nicht schamanisch wirkt: ein schüchterner, schlaksiger Teenager mit moderner Kurzhaarfrisur. In der nächsten Szene sitzt er in seiner Schuluniform im Klassenzimmer, während hinter ihm Klassenkameraden kichernd einen Pornofilm auf einem Handy schauen.

«City of Wind» ist das Erstlingswerk der Filmemacherin Lkhagvadulam Purev-Ochir, und man spürt sofort: Die 35-Jährige beherrscht die Kunst des sensiblen Geschichtenerzähles einwandfrei. Der Film, der am Filmfestival Venedig 2023 Premiere feierte, ist ein berührendes Coming of Age eines jungen Mannes, der versucht, seine spirituelle Verantwortung daheim im Dorf mit seinem Alltag als Teenager in der Hauptstadt Ulaanbaatar zu vereinbaren. Hauptdarsteller Tergel Bold-Erdene spielte den 17-Jährigen Ze so überzeugend, dass er den Orizzonti-Preis für die beste männliche Hauptrolle gewann.

Starkes Schauspiel

Tatsächlich vermittelt sein Schauspiel auf leise, eindrückliche Art die Spannung zwischen der modernen und der traditionellen Mongolei, in der Teenager wie fast überall in der Welt mit den verwirrenden Gefühlen der ersten Liebe, mit geschiedenen Eltern, Konsum, Alkoholismus und digitalen Medien konfrontiert sind.

Ze beginnt an seinen schamanistischen Kräften zu zweifeln, nachdem er die eigenwillige Maralaa kennenlernt. Die Mutter der jungen Frau ruft Ze ins Haus, weil Maralaa eine Operation am Herzen bevorsteht, und sie einen Hinweis wünscht, ob alles gut gehen wird. Maralaa findet den Auftritt des Schamanen jedoch bloss Hokuspokus und sagt ihm das auch.

Ze ist so fasziniert von der jungen Frau, dass er sie trotz ihrem verächtlichen Kommentar nach der Operation im Krankenhaus besucht. Es folgt eine feinfühlig erzählte Phase des Sich-Annäherns zweier Menschen mit total unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen an verschiedenen Schauplätzen in der Stadt. Die neuen Gefühle, die mit Zes Romanze einhergehen, machen ihn nicht nur rebellisch, sondern verschieben seine Prioritäten in einer Weise, die seine Zukunft als Schamane in Frage stellt.

Spannung visuell inszeniert

Lkhagvadulam Purev-Ochir, die selbst als junge Frau eine überraschende Begegnung mit einem Schamanen hatte, inszeniert die Liebesgeschichte kontrastreich. Sie pendelt zwischen Ulaanbaatar mit seinen modernen Wolkenkratzern, Einkaufszentren und Nachtclubs und den schlichten Holzhäusern an den Hängen verschneiter Berge, zwischen westlichen Idealen und traditionellem Weltverständnis. Das kunstvolle Mosaik des zeitgenössischen mongolischen Lebens ist absolut sehenswert.

 

«City of Wind» von Lkhagvadulam Purev-Ochir ist ab 4. Juli in den Deutschschweizer Kinos zu sehen.

 

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