Die ersten Mitglieder ziehen im Juni ein
«Gemeinsam suchen wir den Frieden der Stadt Zürich und wollen uns von Gott in unserem Alltag finden lassen. Wir wissen uns in Freiheit und Gnade verpflichtet zum Hören auf Gottes Wort und zum regelmässigen persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet.» Cornelia Schnabel, Präsidentin des Vereins Stadtkirche Zürich, spricht die Worte stellvertretend für die im Halbkreis in der Bullingerkirche versammelten Mitglieder.
Damit ist ein weiterer Schritt der Verbindlichkeit getan. Der Segen geht von Schwester Margrit Muther aus der Diakonissengemeinschaft Neumünster aus, die zugleich Mitglied der neuen Gemeinschaft ist. Danach geben sich die Mitglieder den Segen weiter, mit einem Kreuzzeichen auf die Stirn und einer Kreuzkette um den Hals.
Ein besonderes Versprechen legen die acht Mitglieder der Kerngruppe ab, die ab Anfang Juni die hierfür gemieteten Räume im Wohntrakt der Bullingerkirche beziehen werden. Sie verpflichten sich dazu, das Ihre dazu zu tun, dass «eine blühende Klostergemeinschaft» wächst, ähnlich wie es im Garten, den die Gemeinschaft in der Nähe betreibt, schon der Fall ist.
Eine «dritte Form der Kirche»
Am Anfang war eine Handvoll Menschen mit einer Vision. Eine Kommunität als «dritte Form der Kirche» neben Kirchgemeinde und Landeskirche könne in Zürich urbanes mit geistlichem Leben verknüpfen und so auch in Stadtgebiete ausstrahlen, in denen die Kirche mit ihren traditionellen Gemeindestrukturen die Menschen nicht mehr erreicht. Ein «Ort der Geborgenheit, des Gebets und der gelebten Spiritualität als Kontrast zur städtischen Vereinzelung und Unverbindlichkeit» sollte es werden. Eine Petition in diesem Sinn ging Anfang 2013 an den Kirchenrat (Exekutive) der reformierten Landeskirche, der dieses «Projekt von unten» mit grossem Wohlwollen aufnahm und (ideelle) Unterstützung versprach.
Unter den Visionären befand sich auch Rolf Mauch, Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Hard, zu der die Bullingerkirche gehört. Er setzte sich dafür ein, dass die Gemeinde der neuen Gemeinschaft Gastrecht gewährte. Bald schon fanden in der Bullingerkirche vor den grossen kirchlichen Festen Tagzeitengebete in der benediktinischen Tradition statt, es wurde Tischgemeinschaft gepflegt und Kurse in geistlichem Leben angeboten. Das Angebot stiess auf Nachfrage: Für das Jahr 2015 wurden 1217 Besucher an 108 Veranstaltungen gezählt.
Drei Arten von Mitgliedern
Im Mai 2015 entstand der «Verein Stadtkloster Zürich». Er sieht eine dreistufige Mitgliedschaft vor. Neben Kerngruppe und Aktivmitgliedern, die ein Aufnahmegespräch absolvieren müssen, besteht auch die Möglichkeit einer lockereren Passivmitgliedschaft. Der Verein finanziert sich aus Mitgliederbeiträgen und Spenden. Unzählige Stunden freiwillig geleisteter Arbeit halten die Kosten niedrig. Ein Vorstand, dem zwei Mitglieder der Kerngruppe angehören, führt die Geschäfte. Bis zum Bezug der vorgesehenen Räumlichkeiten dauerte es länger als vorgesehen, aber in drei Wochen wird auch dieser Schritt vollzogen sein.
Das heisst beileibe nicht, dass der Klosterprozess jetzt abgeschlossen ist. Das will die Gemeinschaft auch gar nicht. Sie ist weiter auf der Suche nach den Formen des Zusammenlebens, die ihrer Vision am besten entsprechen. Ein Bekenntnis gibt es inzwischen, jetzt debattiert die Kerngruppe über eine verbindlichere Regel, die sie sich geben will. Auch hier betritt die Kommunität Neuland, denn die Regeln anderer Kommunitäten können zwar Anregungen bieten, aber nicht eins zu eins übernommen werde.
Die traditionellen Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams spielen zum Beispiel keine Rolle in der Gemeinschaft des Stadtklosters. Auch über vorgesehene diakonische Projekte wird weiterhin diskutiert. Bisher verpflichtet sich jedes Aktivmitglied zu einer solchen Tätigkeit, aber welche das ist, wird dem oder der einzelnen überlassen. Ansonsten gilt das Wort des Propheten Jeremia: «Sucht das Wohl der Stadt» (Jer 29,7).
«Das heisst ja gerade nicht, dass wir dieses Wohl schon gefunden haben, dass wir schon wissen, was gut ist für diese Stadt», sagt Brigitte Becker, Vorstandsmitglied und Mitarbeiterin der Landeskirche. Auf keinen Fall wolle man sich in ein «festes Bild» pressen lassen. Auch wenn von verschiedenen Seiten Fragen kämen wie «Wird das Stadtkloster fromm, gar evangelikal? Wird es ein bisschen wie Taizé?» Die einzig mögliche Antwort, so Becker, lautet: «Es wird.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Marianne Weymann / ref.ch / 12. Mai 2016
Die ersten Mitglieder ziehen im Juni ein