Die ganze Nacht durchmachen
Gemeinsam im Team statt jedes Kirchenzentrum allein für sich: Das war das Credo der vier Pfarrpersonen der reformierten Kirchgemeinde Sursee bei der Planung der «Langen Nacht der Kirchen». Zusammen entwickelten sie ein Programm, das jede Menge Sinne anspricht: den Nachtexpress – ein Sonderzug zu traumhaften Stationen.
Bahnzentrum Gunzwil
«Wir gestalten nicht nur einen Abend, sondern bei uns kann man die ganze Nacht durchmachen», sagt Pfarrer Hans Weber. «So wie in einem Nachtzug, geht es an zahlreichen Stationen vorbei, und man hat stets die Möglichkeit, ein- und auszusteigen und Teilstrecken nach Wahl zu befahren.» Alle Pfarrpersonen sowie der Präsident der Kirchgemeinde sind Teil des Nacht
express-Teams und übernehmen eine Teilstrecke.
Der Nachtexpress startet im reformierten Kirchenzentrum Gunzwil, das auch Endpunkt der Reise ist. «Dieses Kirchenzentrum ist relativ neu, und so bietet die ‹Lange Nacht der Kirchen› eine gute Gelegenheit, um es einem erweiterten Besucherkreis bekannt zu machen.»
Lange Nacht der Kirchen
Die «Lange Nacht der Kirchen» findet in der Nacht vom 2. auf den 3. Juni statt. Zum ersten Mal fand die «Lange Nacht der Kirchen» 2016 im Kanton Aargau statt. Beim letzten Anlass 2021 waren rund 30000 Besucherinnen und Besucher an einer der mehr als 470 teilnehmenden Kirchgemeinden dabei. Dieses Jahr wird zum ersten Mal auch der Kanton Luzern dabei sein. An rund 130 reformierten und katholischen Kirchenzentren sind Anlässe geplant. Mit diesem ökumenischen Projekt soll aufgezeigt werden, was Kirche alles ist und sein kann. Zudem möchten die Kirchen ihren Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit bieten, ganz unverbindlich in Kontakt zu kommen.
Schreckmümpfeli der Bibel
Das Programm startet um 19.15 Uhr mit einem Lobpreisgottesdienst mit viel Musik. Pfarrerin Hannah Treier lädt als Reiseleiterin zum Mitsingen oder Zuhören ein. Im Anschluss folgt um 20 Uhr ein Abendmahl, serviert vom Chef des Speisewagens, Pfarrer Ulrich Walther. In ungezwungener Gemeinschaft ist viel Platz, um über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen. Um 21.30 Uhr gibt es Live-Musik auf der Bühne. Laienmusiker und Laienmusikerinnen erhalten die Möglichkeit, die Passagiere des Nachtexpresses zu unterhalten. Auf dem Nebengleis gibt es parallel dazu einen Barbetrieb und gemütliches Beisammensein. Gegen Mitternacht, um 23.30 Uhr, folgt das Schreckmümpfeli.
Dieses lehnt sich an die gleichnamige Sendung des Schweizer Radios an, in der wöchentlich mit Erfolg Gruselgeschichten erzählt werden. Pfarrer Hans Weber erzählt im Salonwagen schaurig-schöne Geschichten mit Haarsträube- und Gänsehauteffekt. Einige Schreckmümpfeli kommen direkt aus der Bibel. «Dort spukt es zuweilen unheimlich, und es werden uns einige grausige Horrorgeschichten zugemutet», so Hans Weber.
Zu den Protagonisten im biblischen Horrorkabinett zählen beispielsweise Frau Abimelech, die kaltblütige Mörderin mit einem Mühlstein als Tatwaffe (Buch Richter), Prophet Ezechiel, der eine haarsträubende Grenzbegegnung – womöglich mit Ausserirdischen – hat (Buch Ezechiel), oder ein nicht näher genannter Bär (damals halt noch ohne M-Nummer), der auf einen Schlag 42 Kinder frisst (2. Königsbuch).
Um Mitternacht folgt der Kirchenschlaf. «Manchmal schlafen die Leute während der Predigt ein», so Weber. «In der ‹Langen Nacht der Kirchen› kann man dies nun ganz legitim und gemütlich tun – auf Wunsch direkt neben dem Taufbecken oder unter dem Abendmahlstisch.» Die Ausstattung der rustikalen Wago-Lits-Einheitsklasse bietet Liegestühle oder Bodenmatratzen. Hans Weber empfiehlt, eine Campingmatratze, ein Feldbett oder eine Hängematte sowie Kopfkissen und Bettdecke mitzunehmen. Geschlafen wird allerdings nur bis vier Uhr in der Früh.
Vogelerwachen
Um 4.20 Uhr beginnt beim Kirchenzentrum ein ornithologischer Morgenspaziergang mit dem Kirchgemeindepräsidenten Christian Marti. Christian Marti ist Biologe und war als ausgewiesener Vogelspezialist über dreissig Jahre lang an der Vogelwarte Sempach tätig. Er kann unter anderem Vogelstimmen durch Pfeifen und mit Musikinstrumenten imitieren. Unter seiner kundigen Führung lauschen die Teilnehmer den erwachenden Vogelstimmen und geniessen wie einst Franz von Assisi, der Vögel predigen hörte, ein grandioses Naturkonzert. Nach einem Spaziergang von etwa einer Stunde in die natürliche Waldkathedrale bei Beromünster begrüsst Pfarrer Johannes Siebenmann die Frühaufsteher mit einer ermunternden Morgenandacht. Zur Abrundung der mannigfaltigen Nachtaktivitäten gibt es um 6 Uhr im reformierten Kirchenzentrum Gunzwil ein gemütliches Frühstück.
Ökumenisch
Die «Lange Nacht der Kirchen» ist ein ökumenisches Projekt. Ein Wechsel zum Programm der katholischen Kirche Sursee ist daher jederzeit möglich. Dieses läuft unter dem Motto «Hoch hinaus, dem Himmel so nah», startet um 18 Uhr in der Pfarrkirche St. Stephan Beromünster und endet um 1 Uhr nachts. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist gratis.
Die ganze Nacht durchmachen