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Reformierte Kirche Olten

Die Kirche entdeckt die Jungsenioren

von Tilmann Zuber
min
04.09.2024
In den kommenden Jahren gehen immer mehr Babyboomer in Pension. Die reformierte Kirchgemeinde Olten will mit dieser Zielgruppe stärker in Kontakt treten und ihr Angebot entsprechend erweitern.

Sie tragen Jeans und Sneakers, flitzen mit dem E-Bike durch die Gemeinde und stemmen im Fitnessstudio Hanteln: Die Rede ist nicht von den 16-Jährigen, sondern von der Generation 60 plus. In den nächsten Jahren wird diese Altersgruppe weiter wachsen. Statistiken gehen davon aus, dass im Jahr 2050 rund ein Viertel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein wird.

Die Grossmütter von heute liegen nicht wie einst bei Rotkäppchen krank im Bett und trauen sich kaum noch aus dem Haus.

Neu ist auch, dass viele dieser Seniorinnen und Senioren noch rüstig, aktiv und gesund sind. «Die Grossmütter von heute liegen nicht wie einst bei Rotkäppchen krank im Bett und trauen sich kaum noch aus dem Haus. Sie sind gebildet, emanzipiert, berufstätig, politisch und kulturell interessiert», schreibt die Interessengemeinschaft «GrossmütterRevolution» um die Historikerin Heidi Witzig.

Neue Zielgruppe

Die Best Agers sind auch für die Kirchen eine neue Chance und eine Herausforderung. Die traditionelle Seniorenarbeit richtet sich bisher vor allem an die älteren Jahrgänge. Aber Seniorennachmittage mit Bingo und Seniorenferien im Schwarzwald oder am Murtensee können die neuen Jung-senioren kaum begeistern.

Genau für diese Altersgruppe will die reformierte Kirche Olten nun Angebote und ein Programm entwickeln. «Viele Babyboomer, die sich während der Familienphase in der Kirche engagiert haben, werden in den nächsten Jahren pensioniert», sagt Pfarrer Uwe Kaiser. «Doch leider sind die Jungsenioren und Frischpensionierten in der Kirche nicht sehr präsent.»

Ein Team um Uwe Kaiser, Pfarrerin Melanie Ludwig und den pensionierten Pfarrer Michael Schoger will diese Zielgruppe stärker in den Blick nehmen. Vor rund einem Jahr luden sie Menschen aus diesem Altersspektrum ein und befragten sie nach ihren Bedürfnissen. Man wolle ihnen kein fertiges Programm vorsetzen, sondern sich an ihren Anliegen orientieren, so Kaiser.

Die jungen Rentnerinnen und Rentner haben konkrete Fragen, etwa: Reicht meine Rente, wie kann ich Steuern sparen, und was muss ich im Erfall tun?

Rente und Patientenverfügung

Aus dem Meeting ist inzwischen eine Vortragsreihe entstanden: Im Mai fand ein Vortrag über die finanzielle Situation nach der Pensionierung und die Rente statt. Im September wird es eine Veranstaltung zum Thema Erben geben und später eine zu medizinischer Vorsorge und Patientenverfügungen. «Die jungen Rentnerinnen und Rentner haben konkrete Fragen, etwa: Reicht meine Rente, wie kann ich Steuern sparen, und was muss ich im Erfall tun?», sagt Pfarrer Kaiser.

Auch wenn sich viele auf den Ruhestand, die neue Freiheit und die geplanten Reisen freuen, tauchen mit diesem Schritt neue Fragen und Unsicherheiten auf. Mit der Arbeit fallen für viele auch die täglichen sozialen Kontakte weg, ebenso die Bestätigung, die man im Beruf erfährt. Andere, vor allem Frauen, stellen fest, dass ihre Rente finanzielle Lücken aufweist. «Nur mit der AHV alt zu werden, ist heute schwierig», sagt Uwe Kaiser.

Viele leben mit dem Bild, auch mit 70 Jahren noch sportlich und aktiv zu sein, aber manchmal sieht es anders aus.

Auch für die Partnerschaft bedeute die Pensionierung eine neue Herausforderung, wenn beispielsweise der Mann plötzlich den ganzen Tag zu Hause bleibt. Hinzu kommen erste körperliche Gebrechen. Die lang ersehnten Reisen sind plötzlich nicht mehr möglich. «Viele leben mit dem Bild, auch mit 70 Jahren noch sportlich und aktiv zu sein, aber manchmal sieht es anders aus.» Es sei nicht leicht, damit umzugehen, meint Kaiser. Hier könne die christliche Einsicht helfen, dass der Mensch auch ohne Beruf und sportliche Leistung seine Würde behalte. «Das Leben als Geschenk Gottes zu erkennen, bekommt im Alter eine besondere Bedeutung.»

Austausch mit dieser Generation

Uwe Kaiser sieht das Angebot der Kirchgemeinde Olten nicht als Einbahnstrasse. Für ihn ist es wichtig, mit dieser Generation in einen Austausch zu treten. Viele der jungen Senioren sind rüstig, betreuen Enkelkinder, sind gesellschaftlich aktiv oder sozial engagiert. Meist wollen sie aber keine regelmässige Aufgabe übernehmen und sich nicht binden. Die Kirchgemeinde könne ein Netzwerk bieten, in dem die Best Agers miteinander in Kontakt kommen, um weitere Aktivitäten, wie einen Ausflug oder einen Konzertbesuch, zu planen. Für nächstes Jahr ist zum Beispiel eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg geplant.

Das Telefon in der Pfarrwohnung klingelt. Jemand meldet sich für den Grillabend für Senioren im blühenden Garten hinter der Friedenskirche an. Das zeigt, die Altersarbeit der Kirche ist gefragt.

 

Nächster Anlass: «Fragen um das Erbrecht», Erika Wurzer, Rechtsanwältin und Notarin, Freitag, 13. September, 19.30 Uhr, im Saal der Pauluskirche Olten

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