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Kirchenpolitik

Die Kirche macht mehr, als viele glauben

von Mirjam Messerli/reformiert.info
min
21.02.2024
Die Landeskirchen im Kanton Bern belegen, welche Leistungen sie für die Gesellschaft erbringen. Müsste der Staat diese Angebote übernehmen, wären rund 400 Vollzeitstellen nötig.

Den Ort dieser Medienkonferenz würden wohl die wenigsten mit Kirche in Verbindung bringen. Und doch wird er grösstenteils von ihr finanziert: Ins Hip-Hop-Center Bern luden die Vertreter der drei Landeskirchen im Kanton ein – der reformierten, der römisch-katholischen sowie der christkatholischen. Sie wollten aufzeigen, was die Kirche für die Gesellschaft leistet. Und vor allem auch: was diese Leistungen in Franken wert sind.

833’600 Stunden Arbeit erbringen Freiwillige der drei Landeskirchen durchschnittlich pro Jahr. Sie kochen an Mittagstischen für alte Menschen, sie hören Einsamen am Telefon der Dargebotenen Hand zu, sie sammeln Lebensmittel für Bedürftige. «Müsste der Staat solche Angebote übernehmen, bräuchte es dafür rund 400 Vollzeitstellen», sagte Christoph Schuler, Pfarrer und Präsident der christkatholischen Kirche. «Die Kirchen sind unverzichtbar für die Gesellschaft.»

Hintergrund der seltenen kirchlichen Werbeoffensive sind zwei politische Debatten. Zum einen wird das Kantonsparlament in der Herbstsession darüber diskutieren, wie viel Geld die Kirchen in den nächsten sechs Jahren erhalten werden. Die zweite Diskussion wird schon in der Frühjahrsession im März geführt: Sollen die Kirchensteuern im Kanton Bern für Unternehmen künftig freiwillig sein? Dies wird in einem Vorstoss verlangt, den der Thuner Grossrat Carlos Reinhard eingereicht hat.

Wir müssten unser Angebot im schlimmsten Fall massiv reduzieren.

In beiden Fällen drohen der Kirche Mittel wegzubrechen. «Wir müssten unser Angebot im schlimmsten Fall massiv reduzieren», betonte Marie-Louise Beyeler, Präsidentin des Landeskirchenrats der römisch-katholischen Kirche. Einfach streichen könne man diese Angebote aber nicht. Denn: Die Menschen würden älter, einsamer, psychische Probleme nähmen zu. Also müsste der Staat die bisher von Kirchen geleisteten Dienste übernehmen. «Das könnte er aber niemals zu diesem Preis leisten, weil er nicht auf so viele Freiwillige zählen könnte», sagte Beyeler.

Privatpersonen können aus der Kirche austreten, wenn sie die Kirchensteuer nicht mehr zahlen wollen. Firmen haben diese Wahl nicht, sollten sie aber haben, so lautet ein Argument in der Motion. Marie-Louise Beyler ist davon nicht überzeugt: «Ein Unternehmer hat aus meiner Sicht eine gesellschaftliche Verantwortung. Er sollte nicht alleine an sich oder seine Firma denken.»

Die Motion hat uns motiviert, etwas weniger bescheiden zu sein und unsere Leistungen hervorzuheben.

Der politische Vorstoss sei für die Kirche auch eine Chance, ergänzte Judith Pörksen, Synodalratspräsidentin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn: «Die Motion hat uns motiviert, etwas weniger bescheiden zu sein und unsere Leistungen hervorzuheben.»

Kirche und Wirtschaft gemeinsam

Ausserdem habe sie mit den Grossrätinnen und Grossräten das Gespräch gesucht. Es gebe bereits heute Angebote, bei denen Wirtschaft und Kirche erfolgreich zusammenarbeiteten. Zum Beispiel das Projekt «Tischlein deck dich», das Lebensmittel für Bedürftige sammelt. Pörksen wünscht sich mehr solcher übergreifender Initiativen.

Die Vertreterinnen und Vertreter der drei Landeskirchen waren durchaus selbstkritisch: Dass nicht mehr Menschen wüssten, was die Kirche alles leiste, sei sicherlich ein Versäumnis der letzten Jahre. Man sei zu selbstverständlich davon ausgegangen, dass die gesellschaftliche Arbeit der Kirche bekannt sei.

«Wir werden künftig sicher mehr davon sprechen, was wir Gutes tun», betonte Pörksen. Wichtig sei auch zu wissen, dass die Steuern, welche Unternehmen bezahlen, ausschliesslich für gesamtgesellschaftliche Angebote verwendet werden dürften – nicht für kultische Zwecke wie beispielweise Gottesdienste. Und Angebote wie Mittagstische oder Seniorenferien stünden allen Menschen offen. «Wir fragen sie nicht, ob sie Mitglied einer Kirche sind, ob sie überhaupt religiös sind oder einen anderen Glauben haben.»

 

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