Frau Odermatt. Sie treten nach acht Jahren Präsidentschaft nicht mehr zur Wiederwahl an. Was sind die Gründe dafür?
Jetzt ist genau der richtige Moment, um abzutreten. Der Kirchenvorstand hat in den letzten acht Jahren sehr gute Arbeit geleistet und anstehende Veränderungen an die Hand genommen. Wir haben zahlreiche Projekte und Prozesse angestossen. Für die weitere Umsetzung benötigt es nun eine Person, die mindestens zwei Perioden im Amt bleiben möchte. Ich hätte mich nicht mehr so lange zur Verfügung gestellt.
Was hatte Sie ursprünglich dazu bewogen, dieses Amt anzunehmen?
Ich fand die Aufgabenstellung spannend. Sie umfasst die strategische Ausrichtung der Kirchgemeinde Luzern, was viele Themen beinhaltet. Zudem sind mir die Werte, welche £die Kirche vertritt, persönlich sehr wichtig. Ich glaube auch, die Anliegen unserer Teilkirchgemeinden und Gremien gut zu verstehen, da ich lange im kirchlichen Umfeld mitgearbeitet habe.
Was waren Ihre Höhepunkte?
Das sanierte Lukaszentrum in Luzern ist heute eine Perle und kommt bei den Menschen sehr gut an. Der Umbau war aufwendig. Wichtig war für mich auch der Startschuss und der Fortschritt unseres breit angelegten Strategieprozesses «Horizont 28». Zudem bin ich stolz darauf, dass wir ein schlagkräftiges Team im Kirchenvorstand aufgebaut haben, zumal der Anspruch an fachliche Kompetenz gewachsen ist und die Anforderungen an die Mitglieder hoch sind.
Was waren die Herausforderungen?
Es geht heute nicht mehr nur darum, zu verwalten, es muss viel strategische Arbeit geleistet werden, um die Kirche gut in die Zukunft zu begleiten. Die Kirchgemeinde Luzern ist denn auch ein KMU. Wir haben die Verantwortung für 100 Mitarbeitende und viele Behördenmitglieder. Es ist nicht immer einfach, in einer Institution, die sehr auf Tradition bedacht ist, Anpassungen zu machen. «Semper reformanda» umzusetzen, war manchmal eine Knochenarbeit.
Veränderung war also schwierig?
Es gibt Menschen, die am Status quo festhalten möchten, denen es eher schwerfällt, sich auf notwendige Veränderungen einzulassen. Das macht den Prozess schwieriger, denn es braucht Lust, Dinge zu bewegen und Gewohntes unter Umständen aufzugeben. Geht es um grundlegende Anpassungen, klatscht ein Drittel, ein Drittel hingegen sagt Nein. Dann kommt es darauf an, wie man den dritten Drittel überzeugen kann.
Wie haben Sie dieses Drittel überzeugt?
Vor meiner Funktion als Präsidentin war ich lange in der Politik tätig, auch als Gemeinderätin und Kantonsrätin. Das half mir. Meine Erfahrung ist aber, dass zwischen Kirchenpolitik und weltlicher Politik ein wichtiger Unterschied besteht. Die emotionale Verbundenheit mit der Kirche und die Verpflichtung gegenüber etwas Grösserem spielen in der Kirche als Organisation eine wesentliche Rolle. Es gilt, Sachlichkeit und Herz zu verbinden.
Die Mitgliederzahl der Kirchgemeinde Luzern ist zwischen 2016 und 2020 um 8 Prozent zurückgegangen, um 1747. Was war Ihre Strategie dagegen?
Vor allem junge Menschen treten aus der Kirche aus. Für mich stellt sich immer wieder die Frage: Wie können wir der Gesellschaft vermehrt aufzeigen, dass die Kirche viel zu bieten hat und gute Begegnungen ermöglicht? Früher gab es eine Pfarrperson, die für alle Menschen zuständig war. Heute sind oft unterschiedliche Personen für unterschiedliche Interessen und Gruppen zuständig. Das hat sich bewährt.
Weniger Mitglieder bedeutet auch weniger Geld, das zur Verfügung steht. Wo haben Sie den Rotstift angesetzt?
Nicht nur das. Horw und Meggen- Adligenswil-Udligenswil sind aus dem Verbund der zehn Kirchgemeinden Luzerns ausgetreten. Sie sind jetzt eigenständige Kirchgemeinden. Diese zwei Kirchgemeinden waren früher sogenannte Gebergemeinden und stützten damit andere, finanziell weniger gut gestellte Gemeinden in unserem internen Finanzausgleich. Bis 2027 erhalten wir zur Abfederung Übergangszahlungen. Ohne diese hätten wir die letzten Jahre ein strukturelles Defizit ausgewiesen. Mit dem Strategieprozess «Horizont 28» haben wir die neue Zukunft der Kirchgemeinde Luzern eingeleitet. «Horizont 28» steht für eine Kirche, die zwar kleiner wird, die aber weiterhin attraktiv bleiben will.
Zum Beispiel?
Ein Beispiel für eine Strategie der Zukunft ist das Gemeindezentrum Würzenbach. Das zentrale Grundstück gehört der Kirche. Die Post und Unterrichtsräume waren dort untergebracht. Wir hätten das alte Gebäude aus den Sechzigerjahren für viel Geld auf einen neuen Stand bringen müssen. Das Gebäude wird nun abgerissen, und es entsteht ein Neubau mit hindernisfreien Kleinwohnungen und Nutzungsmöglichkeiten für die Kirche und das Quartier. Das ist eine Win-win-Situation. Durch die Einnahmen können wir ein attraktives Gemeindeleben mitfinanzieren.
Was sind die positiven Entwicklungen?
Die Kirchenzentren sind lebendige Orte. Man trifft sich zum Mittagstisch, zu Gesprächsrunden, für Kinderprogramme. Dort läuft unglaublich viel. Die Kirche war auch zu Corona-Zeiten mit neuen Formen kreativ und konnte mit ihrer Arbeit vieles abfedern, sei es in den Gemeinden oder über unsere Sozialberatung. Das macht mich wirklich stolz.
Was haben Sie während dieser Zeit gelernt?
Ich war beeindruckt, wie viele grossartige Menschen ich treffen durfte, geerdete Menschen, die oft sehr leise für den Nächsten viel getan haben. Diese Menschen machen aus innerer Überzeugung weiter, egal ob die Kirche in ist oder nicht.
Was werden Sie künftig tun?
Ich arbeite und gestalte sehr gerne. Meinen Entschluss, nicht mehr anzutreten, habe ich unabhängig davon getroffen, was ich danach machen werde. Ich gehe quasi ins Nirwana. Aber ich bin bis im Sommer noch in so vielen Projekten aktiv, dass ich wohl erst nach meinem letzten Arbeitstag dazu kommen werde, mir darüber Gedanken zu machen.
Carmen Schirm-Gasser
«Die Kirchgemeinde Luzern ist auch ein KMU»