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«Die Rohingya werden unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt»

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19.03.2021
Bangladeschs Regierung siedelt seit Monaten Rohingya-Flüchtlinge auf eine bisher unbewohnte Insel um. Hilfsorganisationen kritisieren, dass sie dort Überflutungen ausgesetzt seien.

Sie liegt drei Stunden vom Festland Bangladeschs entfernt, ist nur 40 Quadratkilometer gross und besteht hauptsächlich aus Schlickablagerungen: die Insel Bhasan Char, auf Deutsch «schwimmende Insel». Dorthin siedelt die Regierung Bangladeschs seit Dezember Rohingya-Flüchtlinge um.

Der Grund sind überfüllte Lager in der Gegend von Cox’s Bazar. Rund eine Million Menschen leben dort auf engstem Raum. Es kommt immer häufiger zu Spannungen zwischen der örtlichen Bevölkerung und der im Jahr 2017 aus Myanmar geflüchteten muslimischen Minderheit.

Während die Flüchtlinge dank dem Welternährungsprogramm Nahrungsmittel erhalten, leiden die Bangladeschi an Hunger. Viele haben wegen der Corona-Pandemie und dem harten Lockdown ihre Arbeit und damit ihr Einkommen verloren. Die Regierung will mit der Umsiedlung die Lage entschärfen.

Vor 20 Jahren aufgetaucht
Bhasan Char tauchte erst vor etwa 20 Jahren aus dem Meer auf, war bisher unbesiedelt und wird während des Monsuns immer wieder überschwemmt. Die Marine hat zwar Dämme, ein Spital, Unterkünfte und eine Moschee gebaut sowie Mangrovenbäume gepflanzt. Doch Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerke wie das der Evangelischen Kirchen Schweiz, Heks, sehen die Umsiedlung der Rohingya kritisch.

«Die Sicherheit mit Blick auf Zyklone konnte nicht unabhängig beurteilt werden», sagt Sebastian Zug, Programmverantwortlicher für die humanitäre Hilfe bei Heks. «Etwa durch die Uno.» Es bestünden zudem Zweifel daran, dass die Transfers freiwillig erfolgt seien, obwohl die örtlichen Behörden das behaupteten.

Heks arbeitet zwar ausschliesslich in den Flüchtlingslagern in Cox’s Bazar, verfolgt die Situation auf der Insel aber ebenso. «Der Druck der Regierung auf Nichtregierungsorganisationen (NGO), auf Bhasan Char tätig zu werden und ihre Anstrengungen zu unterstützen, nimmt zu», sagt Zug. Das Problem sei aber, dass NGOs das Projekt auf diese Weise legitimieren würden. Ein Projekt, das noch nicht unabhängig begutachtet wurde.

Schlechte Hygiene
Für Christoph Wiedmer, Co-Geschäftsleiter der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz, ist die Situation inakzeptabel. Die Hygienesituation sei schlecht. Und: «Die Rohingya werden unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt.» Denn sie könnten sich bei Überflutungen nicht zurückziehen.

100 000 sollen dereinst auf Bhasan Char leben. Etwa 10 000 sind es laut der «Dhaka Tribune» in Bangladesch mittlerweile. Hilfsorganisationen würden sie mit Nahrungsmitteln und einfachen Waschvorrichtungen versorgen, sagt Shahid Kamal, regionaler Koordinator für humanitäre Hilfe von Heks.

Zudem würden sie auf das Coronavirus getestet, bevor sie die Schiffe besteigen, die sie auf die Insel bringen. Impfen lassen können sie sich jedoch nicht, denn dafür bräuchten sie eine Identitätskarte und die haben sie nicht.

Rückkehr in weiter Ferne
Die Chancen, dass die Flüchtlinge bald in ihre Heimat in Myanmar zurückkehren könnten, stünden immer schlechter, sagt Wiedmer. Denn seit Anfang Februar ist dort die Armee, welche die Rohingya einst vertrieb, an der Macht.

Demonstranten, die sich gegen sie wehren, werden verhaftet oder getötet. Solange jene Militärköpfe das Sagen hätten, sehe er keine Chance auf eine Rückkehr der Menschen. «Es braucht nun massiven Druck der internationalen Gemeinschaft auf die illegitime Militärregierung», sagt er.

Nadja Ehrbar, reformiert.info 

In der «Reformiert.»-Ausgabe vom 26. März ist ein weiterer Text zu den Rohingya und ihrer Situation in den Lagern in Bangladesch zu finden.

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