«Die Sache» des Glaubens verstehen
Karfreitag und Ostern liegen nun schon eine Weile hinter uns, Christus ist in den Himmel aufgefahren und den Pfingstgeist haben wir auch willkommen geheissen. Für uns kirchliche Insider zentrale Feste, an denen man die Trinität Gottes wunderbar festmachen kann: Gott, der Vater, der menschgewordene Sohn und der Geist, der in unseren Köpfen und Herzen Einzug halten will.
Die anderen haben in dieser Zeit einfach die zusätzlichen freien Tage genossen. So wie die grosse Mehrheit meiner Studierenden an der pädagogischen Hochschule, die ich in diesem Semester mit den Weltreligionen vertraut zu machen versuche. Das Christentum ist dabei jedes Mal eine besondere Herausforderung. Nicht so farbig wie der Hinduismus, nicht so rational wie der Buddhismus, nicht so politisch wie das Judentum und fast, aber doch nicht ganz so ambivalent wie der Islam. Aber mit mindestens ebenso exotischen Inhalten, über die engagiert diskutiert wird: Wann kommt man ins Fegefeuer? Warum gibt es keine katholischen Priesterinnen? Beansprucht das Christentum tatsächlich, der einzige Weg zu Gott zu sein? Welche Rolle spielt dabei dieser Jesus? Und beim letzten Mal besonders hartnäckig: Wie kann Jesus für alle Menschen gestorben sein – und warum soll er das tun müssen? Was hat sein Blut mit unseren Sünden zu tun? Was heisst überhaupt Sünde? Warum sollen wir alle Sünder sein?
Tja, da steht man nun mit seinem ganzen Theologiestudium und ringt um säkular anschlussfähige Antworten. Und ich denke an Anselm von Canterbury, der glaubte, damit er verstehen kann. Hier versuchen Studierende zu verstehen, ohne dass sie es gleich glauben wollen. Geht das? Und was heisst das für uns Kirchenleute, die das Evangelium von der Rechtfertigung durch Gnade in einer zunehmend säkularisierten Welt verkündigen? Haben wir dafür Worte jenseits unserer uns so vertrauten biblischen Sprache?
Christina Aus der Au
Die 56-Jährige ist Theologin und Kirchenratspräsidentin der Evangelischen Landeskirche Thurgau. Sie gehört dem Vorstand des Präsidiums des Deutschen Evangelischen Kirchentags an und war Präsidentin der 36. Auflage in Berlin und Witterberg im Jahr 2017.
«Sagt doch einfach, was Sache ist!», so heisst ein Buch, das dieses Jahr im Theologischen Verlag Zürich herausgekommen ist. Es brauche eine neue Sprache im Gottesdienst, damit Kirche nicht an ihrer Sprache erstickt. Unbedingt – und daneben ringe ich weiter um eine Sprache, mit der ich ausserhalb der Kirche die Sache verständlich machen kann. Das tut, so meine ich, auch uns gut, die wir meinen, es verstanden zu haben.
Den Studierenden – die ja alle Lehrer und Lehrerinnen werden – habe ich das mit dem stellvertretenden Kreuzestod übrigens so zu erklären versucht: In Eurer Klasse hat jemand aus dem Turnsack einer Schülerin Geld gestohlen. Keiner gesteht. Da droht ihr, der ganzen Klasse nächste Woche das Schullager zu streichen. Da steht einer auf: «Ich war’s, und ich zahle das Geld auch zurück.» Ihr wisst genau, der war es bestimmt nicht. Aber er hat die Schuld auf sich genommen, damit die Klasse gemeinsam ins Lager reisen kann.
Sie konnten es nachvollziehen. Ob man es dann auch für sich selber glaubt, das ist dann wieder eine andere Sache.
«Die Sache» des Glaubens verstehen