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«Die Schweizer haben ein feines Gespür für Humor»

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19.09.2019
Emil Steinberger ist zurzeit mit seinem neuesten Programm unterwegs. Der Kabarettist darüber, warum seine Figuren nicht altern und Jesus Humor hatte.

Herr Steinberger, Sie stehen mit Ihrem neuesten Programm wieder auf der Bühne. Seit Jahrzehnten lacht die Schweiz über Sie. Über was lachen Sie selber?
Das frage ich mich manchmal auch. Ab und zu schmunzle ich, etwa wenn ich in einer Zeitung einen Cartoon sehe, der etwas gut und exakt auf den Punkt bringt. Das mag ich.

Wann haben Sie das letzte Mal von Herzen gelacht?
Vor zehn Tagen. Ich besuchte in New York das Musical «Tootsie», das davon handelt, dass sich ein Mann in eine Frau verwandelt. Eigentlich wollte ich das gar nicht sehen, denn solche Geschichten bauen oft auf billige Effekte. Wir sind trotzdem gegangen und das Stück war so gut, lustig und intelligent. Manchmal war ich fast der Einzige unter den tausend Zuschauern, der laut herausgelacht hat.

Reden wir vom hiesigen Humor. Haben die Schweizer Humor?
Oh ja, das bestätigen alle Komiker und Comedians, die in der Schweiz auftreten. Sie sagen, das Publikum in der Schweiz sei eines der besten, weil es über ein grosses Wissen verfügt. Die Künstler können über Ereignisse aus Deutschland erzählen und die Schweizer wissen, um was es geht. Zudem haben die Schweizer ein feines Gespür für den Humor. Wenn ich in der Schweiz auf der Bühne stehe, denke ich, Mensch, was ist das für ein grossartiges Publikum!

Ihre Frau, Niccel Steinberger, erteilt Lachseminare. Kann man Humor und Lachen lernen?
Ich glaube, Humor als solchen kann man nicht lernen. Man kann aber die Bereitschaft zum Lachen wieder erlernen. Es gibt viele, die schon lange nicht mehr herzerfrischend lachen konnten. Das kann man ändern. Meine Frau macht mit den Leuten unkomplizierte Übungen, so dass sie einfach ins Lachen hineinkommen. Eine Frau erklärte nach einem Seminar, dass sie, nach 35 Jahren Ehe, einen ganz neuen Mann nach Hause nehme, sie habe gar nicht gewusst, dass sie einen so lustigen Mann habe.

Manchmal gibt es im Leben ja wenig Grund zu lachen.
Viele glauben, sie könnten nicht mehr lachen, sei es wegen der Lebensumstände, dem Elend in der Welt oder sonst etwas. Die Umwelt stimmt die Leute eher traurig als lustig. Da muss man etwas dagegen unternehmen, damit man wieder lachen kann. Denn Lachen ist die beste Medizin. Letzthin hat mir eine Frau am Tag nach der Emil-Vorstellung erzählt, dass sie am Morgen völlig erschöpft war und keine Lust hatte, am Abend noch ins Theater zu diesem Emil zu gehen. Sie habe sich schliesslich aufgerafft und sei jetzt ganz begeistert, fühle sich wieder frisch und munter.

Heute achtet man sehr auf politische Korrektheit. Gibt es Dinge, über die Sie keine Witze reissen?
Ich bin nie auf die Idee gekommen, Witze über religiöse Empfindungen zu machen, oder über Schwule oder Sex. Das ist doch privat. Mir ist es zu billig, dazu blöde Bemerkungen zu machen, um ein paar Lacher zu erhaschen. Es war wirklich nie mein Ziel, Leute zu verletzen. Ich wollte und will die Menschen zum Lachen bringen.

Apropos Religion: Vertragen sich Humor und Religion.
Ja schon. Es gibt Pfarrer, die haben einen grossartigen Humor und vertragen einen lustigen Witz. Ich glaube auch, dass Jesus Humor hatte. Den brauchte er, damit er mit dem, was seine Jünger sagten und taten, umgehen konnte. Die Kirche hingegen hatte sehr lange Schwierigkeiten mit dem Humor und schloss etwa Frauen, die lachten, aus. Für die Kleriker war der Humor ein Angriff auf die Kirche und den Glauben.

Wie erklären Sie sich, dass viele, auch Junge, bis heute von Ihren Auftritten begeistert sind? Ist das nicht wahnsinnig?
Ja, es ist wahnsinnig, dass die Nummern, die ich vor vierzig, fünfzig Jahren auf der Bühne gespielt habe, immer noch funktionieren.

Können Sie sich dies erklären?
Zum einen verändern sich Menschen nicht so rasch. Und zum andern ist Komik nach wie vor gefragt. Ich spiele auf der Bühne Szenen aus dem Alltag, so wie wir uns benehmen, reden und ausdrücken.

Haben sich Ihre Figuren in den letzten zehn Jahren verändert?
Nein, ich habe die Figuren höchstens etwas aktualisiert. Der Velofahrer Hugi hat sich nun ein elektrisches Mountainbike gekauft und fährt auch ans Formel-Eins-Elektro-Rennen nach Bern. Und der Vater, der sich auf den Nachwuchs freut, erhält nun Vaterschaftsurlaub, den brauche er natürlich jetzt fürs Fischen.

In «Schweizermacher» spielten Sie einen Fremdenpolizisten, der Ausländer vor der Einbürgerung überprüft. Hat sich seit damals daran etwas verändert?
Ich glaube nicht. Ich habe vor zwei Jahren einen Fragebogen erhalten, den die Ausländer für ihre Einbürgerung ausfüllen müssen. Das ist wahnsinnig, was da gefragt wird. Mancher Schweizer kann diese Fragen nicht beantworten. Ich finde dieses Vorgehen schon fast gemein.

Was finden Sie für die Einbürgerung entscheidend?
Wenn jemand in unserem Land leben will, ist es wichtig, dass er den Willen hat, die Sprache zu lernen. Alles andere ist unecht. Mich stört, dass jede noch so kleine Gemeinde selber bestimmen kann, ob jemand Schweizer wird. Es sollte klare Fakten für den Entscheid geben. Wenn ein Gemeinderat jemandem die Einbürgerung verweigert, weil er den Jahresbeitrag für die Harmonie nicht bezahlt hat, ist das «Kleindörfligeist». Das darf nicht passieren.

Gibt es eine Figur, die Sie noch gerne spielen würden?
Ich habe angefangen, neue Figuren zu kreieren: Etwa eine Frau, die stundenlang an der Kasse eines Supermarktes sitzt, und es macht die ganze Zeit nur piep, piep und piep. Meistens unterhält man sich an der Kasse ja nicht. Wie wäre es, wenn die Kassiererin anfängt, mit den Leuten zu plaudern? Eine andere Figur wäre ein 50-jähriger Quereinsteiger, der seine Stelle verloren hat und seine Talente auf dem Arbeitsmarkt neu präsentieren muss.

Diese Figuren kommen ins übernächste Programm?
Wir werden sehen, irgendwann muss man auch mal aufhören.

Sie können auf ein spannendes und reichhaltiges Leben zurückblicken. Welchen Rat haben Sie für die junge Generation?
Zu etwas Aktuellem?

Gerne.
Lasst die Finger von Gras, Cannabis und Hasch. Das ist etwas Teuflisches. Man probiert dies in einer lockeren Stimmung unter Kollegen aus, aber weiss nicht, wie der eigene Körper darauf reagiert. Es kann zur Drogensucht führen. Wenn ich lese, wie leichtfertig die Jungen mit Cannabis umgehen, erschreckt mich dies. Mein Wunsch an die Jungen lautet: Wenn euch jemand Gras anbietet, lacht einfach und sagt nein, brauch ich nicht. So wie ich es tat, als es hiess: Emil, «suuff» doch einmal ein Bier mit uns. Ich lachte und sagte, Bier mag ich nicht. Man kann nein sagen, und das humorvoll, denn so geht es besser.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online, 19. Oktober 2019

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