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«Die Tiere in Gottes Zoo sind vielfältig»

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15.09.2016
Zehn Jahre war Roger Thiriet Medienbeauftragter der reformierten Kirche Basel-Stadt. Ende September hört er auf. Im Interview zieht der Medienprofi Bilanz.

Roger Thiriet, eigentlich wollten Sie kein Interview.
Ich mag Abschiede nicht. Lange Abschiede schon gar nicht und offizielle erst recht nicht. Kommunikationstechnisch hatte ich in meiner Medienkarriere genügend Gelegenheiten, in der ersten Reihe zu stehen. Beim Mandat für die Basler Kirche ging es nicht um mich, sondern um die kommunikative Begleitung des Kirchenratspräsidenten Lukas Kundert.

Und wie ist Ihnen das gelungen?
Das müssen andere beurteilen.

Gab es schwierige Situationen?
Die gab es, wenn der Präsident zum Beispiel andere Hüte aufhatte. Etwa bei der Neubesetzung von Professorenstellen an der theologischen Fakultät. Da argumentierte Kundert als ausserordentlicher Professor, was als Ämtervermischung wahrgenommen wurde und schwierig zu begleiten war. Redet er jetzt als Kirchenratspräsident? Dann war es mein Job, ihn zu beraten. Redet er als Professor? Dann ging es mich streng genommen nichts an. Eine Zeitlang war Kundert auch Pfarrer in der Münstergemeinde. Auch dort gab es Momente, wo nicht klar war, mit welchem Hut er sprach und ob ich zuständig war.

Und wie löst man das?
Mit Gelassenheit. Man muss es von Fall zu Fall anschauen. Manchmal sind solch verschiedene Hüte auch Chancen. Und manchmal musste ich auch sagen: Ich habe mein Bestes versucht, aber es ist nicht gelungen, die Inhalte zu vermitteln.

Zum Beispiel?
Zum Beispiel bei der Besetzung der Matthäus-Kirche im Februar 2016. Dort haben wir von Anfang an gesagt: Wir werden diese Kirche nicht räumen lassen. Die Medien hatten aber nur eine Frage im Kopf: «Wann räumt ihr?» Und als dann die Personenkontrolle des Amts für Migration stattgefunden hatte, hiess es: «Die Kirche räumt die Kirche.» Unsere Botschaft wollte man nicht hören.

Ein Vorwurf war ja auch, dass der Kirchenrat nicht zwischen Behörden und Besetzern vermittelte.
Wir haben uns bemüht, mit den Kräften, die die Kirche besetzten, ins Gespräch zu kommen. Aber die Agenden waren zu verschieden. Die Mediation blieb stecken, auch weil die andere Seite nicht bereit war, Konzessionen zu machen.

Bei der Matthäus-Kirche verwendete Kundert in einer Kolumne die Wendung «katholisches Milieu», was harsche Kritik auslöste. Da kann ein Kommunikationsbeauftragter den Schaden wohl nur noch begrenzen.
Das war etwas anders. Diese Formulierung war intern breit abgestützt, wir hatten das vorher besprochen, nachdem uns gewisse Katholiken derart auf der Nase herumgetanzt waren. Die Provokation, die mit dieser Wendung verbunden ist, war geplant. Und wir rechneten auch damit, dass sich Kundert bei einer Eskalation entschuldigen würde.

Wechseln wir das Thema…
Wäre mir auch lieber (lacht).

Was hat Sie vor zehn Jahren gereizt, das Mandat bei der Kirche anzunehmen?
Ich hatte lange im Angestelltenverhältnis bei Radio DRS, SRF und der «Basler Zeitung» gearbeitet. 1998 habe ich mich selbstständig gemacht, unter anderem mit einem Mandat als Drehbuchautor der TV-Sitcom «Café Bâle». 2005 lief es aus, und ich musste mich umschauen, hätte das aber nie bei der Kirche gemacht, obwohl ich damals in der Synode war. Als die Anfrage kam, habe ich mir gesagt: «Du hast jetzt 40 Jahre zur Unterhaltung der Menschen beigetragen, jetzt kannst du die letzten zehn Jahre noch etwas auf der erbaulichen und ernsten Seite tun.»

Aber Kirche ist doch auch unterhaltend.
Klar. Ich habe mir einfach die Aussenwahrnehmung überlegt: Wenn du beim TV arbeitest, bist du ein Unterhaltungs-Fuzzi, bei der Kirche bist du ein halber Pfarrer. Was denken die Leute, wenn ich das mache? Ist er jetzt fromm geworden? Es gab aber auch Reaktionen im Sinne von: Wenn der Thiriet zur Kirche geht, kann es um sie nicht so schlecht bestellt sein. Von daher konnte ich auch mit einem Anfangspfund wuchern (lacht).

Warum wird die Kirche von aussen immer noch als frommer Haufen angeschaut?
Ich weiss es nicht. Ein Kollege aus der Werbung hat mich dann gefragt: Bist du gläubig? Eigentlich ist die Frage doof, sie zwingt einem eine Schwarzweiss-Entscheidung auf. Ich schätze die Arbeit der Kirche, gehe gerne in einen guten Gottesdienst. Ob ich gläubig bin oder nicht, mag ich gar nicht beantworten. Es gibt ja auch Pfarrer, die nicht an ein Leben nach dem Tod oder an einen personalen Gott glauben. Aber von aussen heisst es immer noch: Wer in der Kirche ist, ist gläubig.

Die Kirche Basel-Stadt hat kein Hinterland, kennt keine juristische Kirchensteuer und hat viele Mitglieder verloren. Wie war das für die Medienarbeit?
Es war eine interessante Ausgangslage. Die Kirche musste sich reformieren und redimensionieren, aber es war auch eine Aufbauarbeit, zum Beispiel mit den «credo & du»-Kampagnen «Best Bible Stories», «feste feiern» und andere in der Reihe, die ich führte. Damit zeigten wir, dass wir nicht nur schrumpfen, sondern einen Kern haben, der bleiben wird und wichtig ist.

Und ist die Information über die Redimensionierung gelungen?
Wir haben früh und à fonds informiert, was auf die Kirche zukommt. Jedes Jahr haben wir den Mitgliedern mit der Steuerrechnung einen Prospekt mitgeschickt, in dem wir Rechenschaft über die Tätigkeit ablegten. Mit den Kampagnen konnten wir den Trend nicht kehren, aber die Austrittsquote etwas abdämpfen. Das Problem war aber ein anderes, internes.

Welches?
Die eigenen Leute wollten es lange nicht wissen. Abbau wird erst ein Thema, wenn es in der eigenen Gemeinde eine Stelle betrifft. Dann formiert sich der Widerstand.

Sie sind ein ausgewiesener Sitcom-Schreiber. Hat es Sie nie gereizt, eine Kirchen-Sitcom zu schreiben?
Ich schliesse nicht aus, dass ich meine Erlebnisse bei der Kirche einmal in humoristischer Form aufarbeiten werde. Die Kirche ist ein Organismus wie jeder andere. Da begegnen sich Menschen, da gibt es Komik, Witz und Pointen. Die Tiere in Gottes Zoo sind vielfältig.

Und was machen Sie nach der Pensionierung?
Ich habe ja die Informationsbeauftragung der Kirche Basel-Stadt als 50 Prozent-Mandat mit meiner Kommunikationsfirma wahrgenommen. Diese führe ich nun weiter, redigiere Publikationen, mache Moderationen, schreibe Kolumnen, bin Ghostwriter, mir wird es nicht langweilig. Ich war schon an Veranstaltungen, wo drei Redner «meine» Reden hielten ...

Die wussten das nicht voneinander?
Nein, es gibt das Ghostwriter-Geheimnis. Ghostwriting ist etwas sehr Schönes. Die Andy Warholschen 15 Minuten Berühmtheit hatte ich ja schon bei Radio und TV – stundenlang.

Letzte Frage: Welches war das ärgerlichste und welches das schönste Ereignis bei der Kirche?
Das schönste war sicher der Moment, als die Synode der «Credo»-Kampagne mit dem Kirchentram zustimmte. Die schwierigste Situation war ganz klar die Besetzung der Matthäus-Kirche.

Das ist ja gar nicht lange her…
Viele Leute sagten mir: Dass dir das jetzt noch passieren muss! Und ich entgegnete: Nein, nein, das ist herausfordernde Krisenkommunikation und die Krönung meiner Laufbahn.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Interview: Matthias Böhni / ref.ch / 15. September 2016

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