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Buchrezension Jordan B. Peterson

Die Verzwergung Gottes

von Felix Reich / reformiert.info
min
29.01.2025
Der polarisierende Psychologe Jordan B. Peterson sucht in der Bibel das Prinzip, das alles zusammenhält. Dabei stutzt er sich Gott so zurecht, dass er in sein Menschenbild passt.

Jordan B. Peterson hätte sich lieber den Arm abgeschnitten, als Joe Biden zu wählen. Das Schicksal meinte es gleich doppelt gut mit dem klinischen Psychologen. Als Kanadier war er ohnehin nicht wahlberechtigt, zudem zog der scheidende Präsident der USA seine Kandidatur zurück.

Nicht das System ist schuld

Aus dem martialischen Satz, mit dem sich Peterson in der «Neuen Zürcher Zeitung» zitieren liess, spricht seine abgrundtiefe Abneigung gegen die Genderpolitik der Demokraten und politische Korrektheit.

Als konservativer Denker hält Peterson die Fahne des Individualismus hoch. Nicht Patriarchat oder Kapitalismus könnten verantwortlich gemacht werden für das Unrecht, das Menschen erleiden, vielmehr seien es stets einzelne Personen, die andere Individuen klein hielten.

Das ultimative Opfer

Das Leben versteht Peterson als Kampf, der Opferbereitschaft verlangt. Als Kronzeuge bot er schon im Ratgeber «12 Rules of Life» Jesus auf: Sein Tod am Kreuz sei das ultimative Opfer, mit dem ein neues und besseres Leben beginnen könne.

In seinem neuen, mit «Gott» betitelten Wälzer knüpft Peterson an diese These an. Den Passionsweg interpretiert er als die schonungslose Auseinandersetzung mit dem Bösen. Indem sich der Mensch diesem stelle, könne er es überwinden. Jordan Peterson psychologisiert die Bibel.

Und verteidigt den Glauben: «Ohne Glauben gibt es keine Erkenntnis, ohne Glauben gibt es keinen Rahmen, der schützt und inspiriert, keine Hoffnung, keinen Mut.»

In der Falle des Kulturkampfs

Kern des Glaubens ist für Peterson die göttliche Ebenbildlichkeit des Menschen. Die unverbrüchliche Würde des Menschen, die sich daraus ergibt, bildet für ihn die Quelle universeller Werte. Nur die Religion kann sie stiften, indem sie eine unhintergehbare Sicht auf die Welt, eine Haltung dem Leben gegenüber etabliert, die allein zu glauben und nicht zu beweisen ist.

Das überzeugt. Leider aber bleibt er da nicht stehen. Ihm kommt sein Kulturkampf in die Quere. Christliche Werte verkauft er als westliche Exklusivität und ignoriert, dass das Christentum eine globale Religion ist, aus der sich keine einheitliche Kultur ableiten lässt.

Die Kraft des Mythos

Dennoch ist Petersons Perspektive auf die Bibel erhellend. Etwa, wenn der Psychologe die Geschichte von Kain und Abel interpretiert und den Blick auf den Neid als Gift für Beziehungen lenkt. Abel wird Schafhirt, Kain Ackerbauer. Beide bringen Gott ein Opfer dar, wobei der ältere Bruder im Wettbewerb den Kürzeren zieht: «Und der Herr sah auf Abel und sein Opfer, aber auf Kain und sein Opfer sah er nicht» (Gen 4,4f.).

Aus dem Mythos des ersten Brudermords liest Peterson die Rivalität zwischen Geschwistern, die «nur allzu leicht zu einem pathologischen Extrem werden» kann. Darüber hinaus stehe die Geschichte für den «Interessenskonflikt zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern».

Schlichtes Menschenbild

Peterson liest die Bibel mythologisch, ohne die historischen Entstehungsbedingungen zu beachten, was zwar einen inspirierenden Blick auf die Texte eröffnet. Theologische Begriffe verwendet er jedoch mit bemerkenswerter Unschärfe.

Peterson erzählt assoziativ, und oft schweift er ab. Gern landet er bei der Archetypen-Lehre von Carl Gustav Jung, die er erstaunlich unkritisch übernimmt. Der Individualist baut sein Menschenbild auf Seelenstrukturen mit kollektiver Gültigkeit. Der Denker, dessen Stärke in der Ideologiekritik liegt, tappt dabei selbst in die Falle der Ideologie.

Das eingezäunte Paradies

Gott ist für Peterson «die ultimative Einheit aller Dinge». Das Paradies, aus dem der Mensch vertrieben wurde und nach dem er strebt, liest er als begrenzten Garten, in dem Kultur und Natur im Gleichgewicht sind.

Die Vielfalt der Gottesbilder im Alten Testament beachtet er nicht, Gott als das Andere kommt nicht vor. Transzendenz, Gnade, Unverfügbarkeit bleiben Peterson fremd.  Gleichnisse, welche die Gesetze der Leistungsgesellschaft hinterfragen, die Hierarchiekritik bleiben unerwähnt. Denn Peterson ringt mehr mit seinem Weltbild, das er entlang der biblischen Texte entwirft, als mit Gott, den er einzäunt im akkurat zurechtgestutzten Gärtchen.

 

Jordan B. Peterson. Gott. Das Ringen mit einem, der über allem steht. Übersetzung: Karoline Kuhn, Ingo Potthast. Fontis, 2024

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