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Die Welt dahinter

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23.04.2019
Silja Walter verbindet in ihren Texten Alltag und Spiritualität und erhielt dafür zahlreiche Preise. Am 23. April wäre die Ordensschwester 100 Jahre alt geworden.

Am 6. August 1947 steht Silja Walter mit anderen aus dem Blauring-Team am Ufer des Schwarzsees, morgens um vier Uhr. Die Berge verdunkeln das Wasser. In Wolldecken eingehüllt warten sie auf den «berühmtesten Sonnenaufgang Europas», wie ihnen das Hotel versprochen hat.

«Ich hatte mir gedacht, wenn die Sonne oben steht, rund und strahlend, dann muss mir Jesus sagen, wohin ich gehen soll», erinnert sich Silja Walter später in ihrer Autobiografie «Das dreifarbene Meer». «Und auf einmal überkam mich eine grosse Ruhe. Ich stand da, nichts weiter.» Dieses Nichts wird zu Walters Erweckungserlebnis, das die junge Frau erschüttert und sie ins Kloster führt.

Aus Silja Walter wird Maria Hedwig
Das war eigentlich nicht vorgesehen: 1919 kam Silja Walter in Rickenbach bei Olten als zweites Kind der Verlegerfamilie Walter zur Welt. Nach dem Lehrerseminar studiert sie Literatur in Fribourg und Basel. Eine Lungenkrankheit zwingt sie, das Studium abzubrechen. Nach ihrem Bekehrungserlebnis tritt sie 1948 ins Kloster Fahr ein und legt das Gelübde ab. Aus Silja Walter wird die Ordensschwester Maria Hedwig. In ihrer Klosterzelle schreibt und veröffentlicht sie über 60 Werke, Lyrik, Mysterienspiele und Theaterstücke. 2011 stirbt sie.

«Ich glaube nämlich, ich bin für das Dahinter gemacht, für das ‚hinter allen Dingen», sei der wegweisende Satz für das Lebenswerk von Silja Walter, erklärt Simon Eglin. In ihren Texten mache sie das Leben durchsichtig für das Dahinter. Eglin ist zuständig für die Medienarbeit des Heimatmuseums Schwarzbubenland in Dornach. Das Museum zeigt momentan eine Ausstellung über die schreibende Nonne.

Ein Leben in Gebet und Meditation
Das Werk von Schwester Hedwig, wie Silja Walter im Kloster heisst, spricht auch viele Reformierte an. Ihre Art, wie sie die Spiritualität in den Alltag einfliessen lässt und Glaube und Poesie verbindet, habe ihn fasziniert, sagt der Theologe Christoph Hürlimann. Der Pfarrer hat Walter 1970 kennengelernt, erst nur literarisch. Hürlimann lag für längere Zeit im Spital und las ihr Buch «Tanz des Gehorsams». Das Buch habe ihn durch die sieben schwierigen Wochen getragen, erinnert sich Hürlimann. «Täglich habe ich die Texte meditiert und ihre Gedichte auswendig gelernt.»

Eine «Seelenverwandtschaft»
Später fing Christoph Hürlimann an mit Silja Walter zu korrespondieren. «Uns verband eine Seelenverwandtschaft», erzählt der Theologe. «Wir beide stammen aus einer Verlegerfamilie, hatten Geschwister, die Schriftsteller waren, und haben einen spirituellen Weg eingeschlagen.» Hürlimann wurde Leiter des Klosters Kappel am Albis, Silja Walter Schwester im Kloster Fahr. «Walter war keine moderne Katholikin, die die kirchliche Betriebsamkeit suchte. Sie tauchte ein in das monastische Leben, ins Gebet und die Meditation.»

André Revelly lernte Silja Walter 1975 kennen. Der Regisseur des Theaters 58 hatte die Klosterfrau angefragt, ob sie ein Stück für das Ensemble habe. Das habe sie nicht, teilte sie mit, sie werde aber eines schreiben. «So entstand ‹Jan der Idiot›», erzählt Revelly. Aus dem ersten Kontakt wuchs eine enge Zusammenarbeit. Viele ihrer Theaterstücke – «Sie kamen in die Stadt», «Stadt ohne Tod» und «Der Engel» – wurden vom Theater 58 uraufgeführt. Anlässlich des 100. Geburtstags spielt das Theater 58 «Jan der Idiot» und «Der Engel».

Warum sprechen die Stücke auch die Reformierten an? Walters Texte seien voller Bilder und Symbole, die das spirituelle Dahinter auftäten, erklärt André Revelly. Das spreche auch die Reformierten an, die ansonsten das prägnante Wort betonen.

Tilmann Zuber, kirchenbote-online, 23. April 2019

www.theater58.ch
www.heimatmuseum-dornach.ch

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