«Diese Gotteserfahrung war einfach atemberaubend»
Was bringt es mir, wenn ich faste?
Was in der Religion seit jeher bekannt ist, entdeckt nun auch die Wissenschaft. In den letzten fünf Jahrzehnten hat sich die westliche Forschung eingehend mit den Auswirkungen des Fastens auf den menschlichen Körper beschäftigt. Die Ergebnisse sind erstaunlich: der Körper entgiftet, chronischen Krankheiten werden vorgebeugt, Entzündungen werden verringert, der Cholesterinspiegel sinkt, und die Blutwerte verbessern sich markant. Auch bei der Behandlung von Krebs konnte das Fasten unterstützend wirken. Ich rate jedem, der sich dafür interessiert, die ARTE-Dokumentation anzuschaue, «Fasten und Heilen – altes Wissen und neuste Forschung».
Sie haben einen Aufsatz über die «geistliche Kraft des Fastens» verfasst. Was verstehen Sie darunter?
Das Fasten hat nicht nur positive Auswirkungen auf den Körper, sondern auch einen enormen Einfluss auf den geistlichen Zustand des Menschen. In unserem griechisch-hellenistisch geprägten Denken trennen wir oft strikt zwischen Körper und Seele, wobei das Leibliche oft abgewertet wird. Gemäss Platon ist die Seele gut, aber das Fleisch böse. Der Leib war für ihn nur eine vorübergehende Phase seiner kosmischen Existenz. Daher ist das, was der Körper tut, praktisch irrelevant für die Seele. Dieses Denken, das den Leib abwertet, führte schlussendlich zur Irrlehre des Gnostizismus. Anders als das griechisch- hellenistische Denken kennt das hebräisch-orientalische Denken keine Trennung von Leib und Seele. Das biblische Menschenbild ist durch und durch ganzheitlich. Diese Anschauung deckt sich meines Erachtens mit den neusten Erkenntnissen der Quantenphysik.
Das biblische Menschenbild und die Quantenphysik haben Gemeinsamkeiten?
Ja. Denn die Quantenphysik lehrt uns, dass alles, was wir vorher für physikalisch hielten, nicht physikalisch ist. Die Grundlage des Seins ist das Bewusstsein. Ich zitiere hier gerne den deutschen Physiker und Nobelpreisträger Max Planck: «Es gibt keine Materie, sondern nur ein Gewebe von Energien, dem durch intelligenten Geist Form gegeben wurde. Dieser Geist ist Urgrund aller Materie.» Jetzt fragen Sie sich sicher: Was hat das mit dem Fasten zu tun? Da Leib, Seele und Geist des Menschen miteinander zusammenhängen, hat der Verzicht auf physische Nahrung auch Auswirkungen auf die seelischen und geistigen Aspekte des Menschen. Nicht nur der Leib wird entgiftet, sondern auch Seele und Geist. Deshalb schrieb ich von der «geistlichen Kraft» des Fastens.
Wie steht die Bibel zum Fasten?
Die Heilige Schrift hat viel über das Fasten zu sagen. Obwohl die Bibel keine direkten Anweisungen zu diesem Thema gibt, finden sich sowohl im Alten als auch im Neuen Testament zahlreiche Beispiele für das Fasten. Eine der aufschlussreichsten Stellen, in der das Fasten erwähnt wird, ist Matthäus 6, 16, wo Jesus seine Jünger die Grundprinzipien eines gottgefälligen Lebens lehrt. Wenn er über das Fasten spricht, beginnt er mit «wenn ihr fastet», nicht mit «sofern ihr fastet». Jesu Worte deuten darauf hin, dass das Fasten eine regelmässige Praxis im Leben seiner Jünger sein wird. Dietrich Bonhoeffer sagt über das Fasten: «Jesus setzt als selbstverständlich voraus, dass die Nachfolgenden die fromme Übung des Fastens halten […]. Solche Übungen haben den einzigen Zweck, den Nachfolgenden für den ihm befohlenen Weg und für das ihm befohlene Werk bereiter und freudiger zu machen.»
Fasten Sie selbst auch?
Erst als ich mich durch das Bibelstudium mit dem Fasten beschäftigte, wuchs in mir der Wunsch, es selbst auszuprobieren. Letztes Jahr habe ich 30 Tage keine Nahrung zu mir genommen. Manchmal faste ich auch gerne nur einen Tag in der Woche. Dieses Beispiel findet sich auch im Römerbrief (Röm 14, 1–12).
Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Als ich 30 Tage fastete, war dies eine aussergewöhnliche Erfahrung. In dieser Zeit habe ich Gott auf spezielle Weise kennen gelernt. Diese Gotteserfahrung war einfach atemberaubend, und ich werde ein solches Fasten auf jeden Fall wiederholen, wenn ich die nötige Ruhe dazu finde.
Interview: Carmen Schirm-Gasser
«Diese Gotteserfahrung war einfach atemberaubend»