Durch Spitex, Frauenhäuser und Schulen für die Roma zu mehr Akzeptanz
Das Kürzel «OeME» steht für Ökumene, Mission und Entwicklungszusammenarbeit. Die OeME-Kommission der Schaffhauser Kirche fördert die weltweite Verbindung von Kirchen und organisiert die jährliche OeME-Konferenz.
Dieses Jahr thematisiert sie mit einem dichten Programm den reformierten Glauben im rumänischen Siebenbürgen: Die Veranstaltungen bieten einen Überblick über die Reformationsgeschichte in Siebenbürgen, Reiseberichte von zwei jungen Leuten aus Schaffhausen, Einblicke in den Alltag zweier Pfarrerinnen aus Siebenbürgen und Ungarn sowie Workshops mit den Referentinnen.
Frauen benachteiligt
Nach dem Grund gefragt, warum sich die diesjährige OeME-Konferenz mit dem reformierten Glauben in Siebenbürgen beschäftigt, antwortet Kommissionsmitglied Pfarrerin Karin Baumgartner: «Die reformierten Kirchen in Rumänien und Ungarn sind bei uns wenig bekannt. In der Konferenz kann man aus erster Hand etwas über das kirchliche Leben und den Alltag dort erfahren.»Karin Baumgartner bereist diese Länder regelmässig und hat viele Kontakte zu Pfarrpersonen. Besonders beschäftigt sie die Situation der reformierten Pfarrerinnen in Osteuropa. «Viele von ihnen sind offen für neue Ideen. Leider steht ihr Engagement in keinem Verhältnis zu ihren Stellungen in der Kirche.» Die Pfarrstellen der grossen Kirchen sind durchwegs mit Männern besetzt, Frauen arbeiten meist in kleinen Dörfern und leisten anspruchsvolle Dienste in einem schwierigen Umfeld. «Sie sind stark benachteiligt. Ich bewundere sie dafür, wie mutig und entschlossen sie trotzdem ihren Dienst tun», sagt Karin Baumgartner.
Ungarnstämmige Minderheit
Die OeME-Kommission organisiert die Konferenz in Herblingen im Hinblick auf den Besuch von 200 Reformierten aus Siebenbürgen in der Schweiz, der anlässlich des Reformationsjubiläums Ende August 2019 stattfindet. «Wir suchen dafür noch Schaffhauser Gastfamilien. Erste Gäste aus Siebenbürgen kann man bereits an der diesjährigen Konferenz kennenlernen», sagt Karin Baumgartner, die den Gastbesuch für Schaffhausen koordiniert.Der Besuch von Reformierten aus Siebenbürgen und der Schweiz ist ein Projekt des Heks und der Landeskirche Graubünden. Die durch das Heks geförderte kirchliche Zusammenarbeit umfasst unter anderem Projekte in Siebenbürgen und Ungarn.
In Rumänien ist das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, Heks, ausschliesslich in Siebenbürgen tätig, wo die reformierte Kirche präsent ist. Mit rund 600 000 Mitgliedern bildet sie eine Minderheit in der rumänisch-Orthodoxen Gesellschaft. «In Ungarn ist die reformierte Kirche staatlich anerkannt und arbeitet in verschiedenen Bereichen eng mit dem Staat zusammen. Staat und Gesellschaft sind ungarisch», verdeutlicht Matthias Herren, Heks-Programmbeauftragter für Rumänien, die Unterschiede zwischen den reformierten Kirchen in Ungarn und Rumänien. «In Siebenbürgen ist die reformierte Kirche eine Kirche der ungarisch-stämmigen Minderheit. Sie ist damit auch mit ethnischen und kulturelle Fragen konfrontiert: Wie lebt man als Ungar in einem rumänischen Kontext? Wie gestaltet sich das Zusammenleben für Reformierte mit der übermächtigen rumänisch-orthodoxen Kirche?»
Armut der Roma
Grundsätzlich sei das Lebensniveau in Siebenbürgen deutlich tiefer als in Ungarn, die Leute verdienen zwei- bis dreimal weniger, so Herren. Er führt aus, dass es besonders auf dem Land noch viele Häuser ohne Wasseranschlüsse gibt und Pferdefuhrwerke zum Alltag gehören. Auf dem Land leben vor allem alte Leute, die jungen wandern in die Städte ab. Schwierig sei auch die Situation der Roma, die rund zehn Prozent der rumänischen Bevölkerung ausmachen: «Die meisten von ihnen leben in Armut und verfügen nur über eine geringe Schulbildung ohne Chancen auf eine Arbeitsstelle», sagt der Heks-Mitarbeiter.Der rumänische Staat sei nur beschränkt fähig, die sozialen Probleme zu lösen, während in Ungarn Dienste wie Spitex, Integration von Behinderten oder ergänzende Schulangebote für Roma zu den Aufgaben des Staates gehören. «In Siebenbürgen übernehmen unsere kirchlichen Partner diese Aufgaben. Sie erhalten dafür teilweise Mittel vom Staat, aber das ist schwierig und kann sich schnell ändern», sagt Herren. Über diakonische Projekte wie Spitex, Frauenhäuser, Beratungsstellen für Opfer von häuslicher Gewalt, Nachmittagsschulen für Roma-Kinder, Job-Vermittlungen und Weiterbildungsangebote versucht die reformierte Kirche in Siebenbürgen ihre gesellschaftliche Relevanz zu steigern.
Wie das Leben einer Pfarrerin in einem abgelegenen Dorf in Siebenbürgen konkret aussieht, erzählt Pfarrerin Anna Tatár an der OeME-Konferenz vom 17. November aus erster Hand.
Adriana Schneider, 15. Oktober 2018
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