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«Ein Denkanstoss, keine Abstimmungsempfehlung»

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11.09.2020
Mit Blick auf die Begrenzungsinitiative lädt der Rat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) zum Nachdenken über Grenzen ein. Das Papier sei bewusst keine Abstimmungsempfehlung, erklärt Ratsmitglied Pierre-Philippe Blaser.

Herr Blaser, inwiefern helfen mir Ihre sieben Thesen über Grenzen bei meinem Abstimmungsentscheid?
Sie sind als Orientierung, als Stoff zum Nachdenken und Diskutieren gedacht. Ausgangspunkt der Überlegungen waren zum Beispiel Arbeiten des französischen Theologen André Gounelle über die Ambivalenz von Grenzen. Zum einen klären Grenzen Beziehungen und Unterschiede, sind wichtig für die Identität. Zum andern limitieren sie uns in vielerlei Hinsicht in unserem Menschsein. Gounelle ist dabei vom deutschen Theologen Paul Tillich inspiriert, für den Grenzen, auch aufgrund seiner Biografie, ein Lebensthema waren. Ins Papier fliessen zudem Thesen des französischen Philosophen Régis Debray ein, der in seinem Buch «Lob der Grenzen» die Meinung vertritt, dass der Mensch grundsätzlich Grenzen braucht, auch wenn er um die unheilvolle Tatsache weiss, dass die Grenze zur Mauer, zum Graben werden kann.

Und warum geben Sie keine Abstimmungsempfehlung?
Politische Fragen haben immer etwas Spaltendes, vor allem bei Abstimmungen, denn am Schluss gilt es, entweder Ja oder Nein zu sagen. Wenn es nicht um Entscheide von hoher kirchlicher, ethischer und theologischer Relevanz geht, sehen wir unsere Rolle nicht darin, eine Abstimmungsempfehlung zu geben. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger bilden sich ihre eigene Meinung.

Am Schluss steht im Papier aber doch eine Art Empfehlung. «Das Anliegen ist nicht nur aus biblisch-kirchlicher Sicht eine politisch prekäre und menschlich hoffnungslose Strategie», heisst es etwa.
Die Quintessenz der Überlegungen ist vor allem, dass es uns nicht zu neuen Horizonten führt, wenn wir uns abschliessen und das Fremde als bleibend Fremdes deklarieren. Ob man Einwanderung in diesem offenen Geist auch ausserhalb der Vereinbarungen mit der EU regeln kann, möchte ich offenlassen.

Wäre es nicht sinnvoll, verbreitete Ängste rund um Einwanderung konkret anzusprechen. Etwa die Angst vor Arbeitsplatzverlust, Überbevölkerung, Belastung der Sozialwerke?
Das Papier ist in der Tat wohl etwas zu theoretisch geraten. Entsprechende Rückmeldungen gab es auch aus den Mitgliedkirchen. In erster Linie wollten wir Denkanstösse geben. Denn von Seiten der Politik und von Kirchenmitgliedern hören wir oft, dass sie sich von uns vor allem einen theologischen Beitrag zu aktuellen politischen Diskussionen und keine Parolen wünschen. Sicher müssen wir aber über weitere mögliche Formen der Kommunikation nachdenken.

Die EKS und ihre Mitgliedkirchen befassen sich zurzeit auch mit der Konzernverantwortungsinitiative, die voraussichtlich im November zur Abstimmung kommt. Dort gibt es eine klare Empfehlung, nämlich ein Ja.
Ja, und mit diesem Engagement gehen wir ein Risiko ein. Es gibt auch viele Kirchenmitglieder, die mit der Initiative nicht einverstanden sind. Ich wünsche mir aber, dass es gelingt, Befürworter wie Gegner zu Diskussionen zusammenzubringen, denn dieser Austausch ist für beide Seiten bereichernd. Dabei wäre es auch interessant, einen Blick auf die kolonialen Verstrickungen und Profite der Schweiz zu werfen und unter diesem Eindruck, die heutige Situation mit den hier ansässigen multinationalen Konzernen zu beleuchten.

Und warum veröffentlichen Sie nicht einfach nur einen weiteren Denkanstoss?
Das Engagement der Kirchen für die Konzernverantwortungsinitiative hat einen wichtigen Grund: Viele unserer aktiven Kirchenmitglieder setzen sich seit Jahren für die Arbeit unserer Hilfswerke ein, dafür, dass die Menschen im Weltsüden unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Mir scheint, dass es für diese engagierten Mitglieder sehr wichtig ist, mit der Initiative auch Ursachen von Missständen benennen und angehen zu können.

Interview: Christa Amstutz, reformiert.info

EKS «Von Grenzen zu Horizonten. Thesen zur Debatte um die Begrenzungsinitiative»

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