Ein kultureller Marathon steht an
Die «kantonale Kirchenministerin», wie sich Regierungsrätin Jaqueline Fehr selbst einführte, schwärmte von der Reformation: «Was für ein Epochenwechsel!» Selbst das sonst eher im konservativen Polit-Vokabular verankerte Wort «Leitkultur» flocht die Regierungsrätin in ihrer euphorischen Reformations-Eloge ein. Mit acht Millionen Franken ist der Kanton der grösste Zahler an dem Zwölf-Millionen-Budget des Vereins «500 Jahre Zürcher Reformation». Mit dem davon finanzierten Jubiläumsprojekten soll in den Jahren 2017 und 2018 der reformatorische Umbruch vor 500 Jahren ins Bewusstsein gebracht und auch das negativ besetzte Attribut «zwinglianisch» mit neuem Inhalt gefüllt werden.
Zwingli ohne Schwert
Corinne Mauch wiederum strich als Stadtpräsidentin die reformatorischen Leistungen im Armenwesen heraus. Sie erinnerte an ein Bild von Pfarrer Ernst Sieber, der das düstere Zwingli-Denkmal an der Wasserkirche in einem Gemälde ummontierte: Statt dem mit Schwert bewehrten Zwingli gab er dem Reformator eine Schaufel in die Hand. Mit 2,5 Millionen Franken beteiligt sich die Stadt Zürich bei der vielgestaltigen Palette von Events. Und Kirchenratspräsident Michel Müller, der den Trägerverein präsidierte, betonte als Ziel der weit gespannten Programm-Parade: «Im Spiegel des Reformationsjubiläums kann sich unsere Gesellschaft über Werte verständigen, die seit Reformationszeit prägend sind.»
Erst musste die reformierte Zürcher Landeskirche sich von der Idee verabschieden, das Jubiläum alleine zu stemmen. Müller betonte nochmals, wie wichtig dieser Schritt gewesen sei. So sei das Gedenken aus der Nische eines binnenkirchlichen Erinnerns herausgekommen, um mit Partnern wie dem Kanton und der Stadt Zürich, aber auch Zürich Tourismus eine viel grössere Durchschlagskraft zu erreichen.
Kultur reibt sich an Kirche
Was aber passiert nun konkret mit dem Zwölf-Millionen-Budget? Ausser Spesen nix gewesen? Nein, so soll’s nicht sein, versprechen die beiden Kuratoren Barbara Weber und Martin Heller. Die beiden sind überzeugt, die anfangs formulierten Ziele – gesellschaftlich übergreifende und nachhaltige Projekte zu fördern – mit ihrer Programmation einzulösen. Und Heller betont: «Das Aufeinandertreffen von Kulturschaffenden und Kirchenleuten hat eine produktive Reibung erzeugt.»
Bevor aber das Marathon-Festival aufgegleist war, herrschte Betriebsamkeit. Die beiden Kuratoren ermunterten Kulturschaffende, Projekte einzureichen, sichteten die bereits unter kirchlicher Leitung eingereichten Projekte und entwickelten eine Kommunikationsstrategie. Aus der Vielzahl von Programmpunkten, die noch im Laufe der kommenden Monate erweitert werden soll, präsentierten die Kuratoren exemplarisch einige Projekte, welche die unterschiedlichen Zugänge zu dem Thema Reformation aufzeigen sollen. Da gibt es im Februar 2018 im Landesmuseum die Ausstellung «Gott und die Bilder» zu sehen. Bilderverbot und zeitgenössische Bilder der Reformationszeit sollen visuell zu den Urthemen führen, die Zwingli, Bullinger & Co. umgetrieben haben.
Die Zürcher Reformation mit ihrer Abschaffung der Klöster, mit der weitgehenden Desakralisierung kirchlicher Räume machte sich auch im Stadtbild bemerkbar. Die Ausstellung «Verschwundene Orte der Reformation» wird dies im Haus zum Rech vor Augen führen.
Barbara Weber wies auf Projekte hin, die exemplarisch auch ein Ziel der ganzen Jubiläumsschau veranschaulichen: Nicht nur das bildungsbürgerliche, historisch oder religiös interessierte Publikum soll angesprochen werden. Auch die Jugend soll sich mit dem reformatorischen Erbe auseinandersetzen. Da gibt es zum Beispiel drei Jugend-Schreibprojekte unter dem Titel «Reformation (re)visited». Und mit der Produktion des Theaters Neumarkt «Urban Prayers Zürich» wird auch dem multireligiösen Zürich Referenz erwiesen. «Zwingli.Wars», ein theatralisches Musical, konfrontiert Zwingli mit seinem einstigen Weggefährten Felix Mantz, der als Täuferführer den Tod in den Fluten der Limmat fand.
Geheime Premiere: «Akte Zwingli»
Was hier verblüfft: Auch die «Akte Zwingli», geschrieben von Grossmünsterpfarrer Christoph Sigrist, nimmt Anna Zwingli als Figur, um auf das Leben des Reformators und seine Schattenseiten zurückzublicken. Das von Regisseur Volker Hesse eingerichtete Stück – Premiere im Grossmünster am 16. Juni – ist auch so etwas wie der geheime Take-Off zum Jubiläum, auch wenn Heller betont: «Eine richtige Premiere gibt es nicht.» Schliesslich sei bereits im Januar unter der Beteiligung des Bundesrats Johann Schneider-Amman im Hauptbahnhof der Reformationstruck vorgefahren.
Die Werbeplattform des weit gefächerten Programms wird vor allem im Netz sein. Denn ein Festival, das die Agenda der Zwinglistadt über eineinhalb Jahre mit einem Veranstaltungsreigen überzieht, mache konventionelle Formen wie Programmhefte zur reinen Papierverschwendung, wie Heller betont. Auf der anderen Seite hoffen Weber und Heller dank der unterschiedlichen Zugänge auf einen Vernetzungseffekt, so dass an verschiedenen Veranstaltungsorten Flyer ausliegen und Plakate hängen.
Delf Bucher / reformiert. / 11. Mai 2017
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Ein kultureller Marathon steht an