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EKS-Synode: Bund soll Missbrauchsstudie machen

von Stefan Degen
min
11.06.2024
Eine geplante Missbrauchsstudie stand im Zentrum der Synode der Evangelischen Kirche Schweiz (EKS). Die Synodalen sprachen sich dagegen aus, diese Studie selbst durchzuführen. Stattdessen soll der EKS-Rat beim Bund anklopfen.

Geben die Reformierten eine eigene Missbrauchsstudie in Auftrag? Dieser Entscheid der EKS-Synode in Neuchatel war mit Spannung erwartet worden. Der Rat der EKS hatte eine grossangelegte Dunkelfeldstudie beantragt, die Missbrauchsfälle gesamtgesellschaftlich hätte untersuchen sollen. Doch die Synode, das Parlament der EKS, folgte dem Rat nicht. Stattdessen überwies sie einen Antrag von Abgeordneten aus 13 Mitgliedskirchen, darunter Zürich, Baselland und mehrere Ostschweizer und Zentralschweizer Landeskirchen. Er beauftragt den Rat, sich beim Bund für die Durchführung einer gesamtgesellschaftlichen Dunkelfeldstudie auf nationaler Ebene einzusetzen.

Was ist eine Dunkelfeldstudie?

Eine Dunkelfeldstudie untersucht das Ausmass von Missbrauchsfällen, die im Dunkeln liegen, also weder strafrechtlich verfolgt noch sonstwie aktenkundig sind. Mittels einer repräsentativen Umfrage unter 20’000 zufällig ausgesuchten Menschen in der Schweiz hätte sie Antworten liefern sollen zu den Fragen: Wann, wo und warum werden sexuelle Übergriffe verübt – im Rahmen der gesamten Gesellschaft, nicht nur in der Kirche. Das Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik der Universität Luzern hätte die Studie leiten sollen. Für die Umfrage wäre das Marktforschungsinstitut Demoscope beauftragt worden. Zusammen mit einer separaten «Online-Mitmachumfrage» hätte das ganze Unterfangen rund 1,6 Millionen Franken gekostet. (sd)

 

Darüber, dass Missbrauchsfälle schonungslos untersucht und wirksame Präventionsmassnahmen getroffen werden sollen, herrschte an der Synode Einigkeit. Über das Wie aber gingen die Meinungen auseinander. «Der Rat ist überzeugt, dass es nicht reicht, nur in die Prävention zu investieren», sagte EKS-Rätin Catherine Berger, die das Geschäft im Parlament vertrat. Die geplante Dunkelfeldstudie liefere die benötigten Fakten für die Verbesserung von Präventionsmassnahmen. EKS-Präsidentin Rita Famos doppelte nach: «Seit ich öffentlich gesagt habe, dass wir eine Studie wollen, melden sich Betroffene bei mir. Sie reden mit uns, weil sie dazu beitragen wollen, Missbrauch in Zukunft zu verhindern.»

Studie als anmassend kritisiert

Die Befürworterinnen und Befürworter des Gegenantrages störten sich vor allem daran, dass die geplante Studie Missbräuche in der gesamten Gesellschaft untersuchen wollte, auch in Bereichen, die nichts mit der Kirche zu tun haben. Das sei anmassend, fanden mehrere Synodale. «Die gesamtgesellschaftliche Dunkelfeldstudie soll gesamtgesellschaftlich durchgeführt werden. Das kann nur der Bund tun», sagte die Zürcher Kirchenratspräsidentin Esther Straub. Auch die hohen Kosten und das Fehlen einer öffentlichen Ausschreibung wurden kritisiert.

Demgegenüber argumentierte der Synodale Christoph Zingg (GR), die Kirche solle nicht auf andere warten, sondern vorangehen und einen Beitrag für die ganze Gesellschaft leisten. «Der Bund soll die Studie durchführen», zitierte er aus dem Gegenantrag, «der Rat soll sich dafür einsetzen.» Er wisse nicht, ob der Bund darauf gewartet habe, sagte Zingg, und schloss im Hinblick auf den Gegenantrag: «Eine wirkliche Willensäusserung sieht anders aus.»

femmes protestantes begrüssen Entscheid

Schliesslich entschied sich die Synode mit 32 zu 24 Stimmen für den Gegenantrag. Ganz vom Tisch ist eine reformierte Missbrauchsstudie damit nicht. Denn die Synodalen forderten in einem weiteren Antrag die Einsetzung einer Arbeitsgruppe «Schutz persönliche Integrität». Diese soll eine interne Erhebung zu «sexuellem Missbrauch» und weitere Massnahmen prüfen.

In einer ersten Stellungnahme begrüssten der Dachverband femmes protestantes (früher Evangelische Frauen Schweiz) den Entscheid der Synode. Er hatte sich bereits im Vorfeld gegen eine Dunkelfeldstudie unter Schirmherrschaft der EKS ausgesprochen, vor einer Retraumatisierung der Betroffenen gewarnt und einen stärkeren Einbezug von Betroffenen verlangt.

Meldestelle unbestritten

Unbestritten war die Einführung einer unabhängigen, nationalen Meldestelle. «In kleinräumigen Gebieten wie bei uns», sagte die Appenzeller Kirchenratspräsidentin Martina Tapernoux-Tanner, «besteht immer die Gefahr, dass die Leiterin der Meldestelle mit dem Täter verwandt ist oder ihn persönlich kennt. Deshalb ist es wichtig, dass die Meldestelle weit genug entfernt ist.» Der EKS-Rat wurde zudem beauftragt, Präventionsarbeit in den Mitgliedskirchen zu fördern.

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