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Entzweit und doch vereint

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04.03.2022
Wie ein griechisch-katholischer und ein russisch-orthodoxer Kirchenvertreter in der Schweiz die Tage nach dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erleben.

Der Schock sitzt tief. Durch den russischen Angriffskrieg habe er zuerst den Boden unter den Füssen verloren, sagt der griechisch-katholische Priester Nazar Zatorskyy auf Anfrage. Eben noch war seine Heimat, in die er bis vor Kurzem regelmässig reiste, ein friedliches Land. Nun würden Städte dem Erdboden gleich gemacht, Hunderttausende seien auf der Flucht. Tod und Zerstörung überall.

Seit 15 Jahren lebt Zatorskyy in der Schweiz, in die er zum Doktorieren an der Universität Freiburg kam. Als katholischer Seelsorger kümmert er sich auch um Menschen aus der ukrainischen Diaspora, die der griechisch-katholischen Kirche angehören.

Bestürzung, Trauer und Wut seien derzeit die vorherrschenden Emotionen. Viele hätten Angst um ihre Familien. In die Berner Dreifaltigkeitskirche kamen nach der ersten Friedensdemonstration so viele Leute wie noch nie. Der Glaube spende in dieser Zeit Trost: «Wir sind zuversichtlich, dass wir in Gottes Händen durchhalten.»

Auf die Probe gestellt
Die kriegerischen Ereignisse in der Ukraine stellen die hiesige Diaspora, die sich aus verschiedenen Glaubensrichtungen zusammensetzt, auf die Probe. Etwa 13 Prozent der Ukrainer gehören der Russisch-Orthodoxen Kirche an, die direkt dem Moskauer Patriarchat unterstellt ist. Auch Diakon Daniel Schärer von der Russisch-Orthodoxen Gemeinde in Zürich steht unter Schock. In seiner Kirche verkehren Russen, Ukrainer, Belorussen, Moldavier, Georgier, Schweizer und Deutsche. «Ich mache mir extrem Sorgen um die betroffene Bevölkerung», sagt er auf Anfrage. Er kenne persönlich einige Menschen, die aus der Ukraine sind oder dort leben.

Am letzten Gottesdienst sei die Auferstehungskirche zum Bersten voll gewesen, viele neue Leute seien gekommen. «Es gibt privat viele verschiedene Meinungen zu den Ereignissen in der Ukraine, was uns verbindet ist unsere Einheit in Christus und das Gebet für den Frieden», sagt Schärer. Jeden Abend um 22 lädt er zum gemeinsamen Gebet. «Dieses ist viel stärker als das individuelle.»

Es sei verständlich, dass Menschen aus Verzweiflung wütend und anklagend werden. Seine Erfahrung sei aber die, dass die Geschwister sich vereint für den Frieden einsetzten.

Ein gemeinsamer Feind
Bei allen Zerwürfnissen glaubt auch der katholische Priester Zatorskyy an die vereinende Kraft des Glaubens: «In der Ukraine gibt es keine Spaltung zwischen den Gläubigen. Alle Ukrainer kämpfen ungeachtet ihrer Herkunft oder Religionszugehörigkeit gegen den gemeinsamen Feind ­– das System Putin.»

Dankbar ist der Ukrainer für die vielen Solidaritätsbekundungen hierzulande, in Zürich und Bern gingen jüngst zehntausende Menschen auf die Strasse, hielten Transparente und Schilder mit Friedensparolen die Höhe. Im Zürcher Grossmünster beteten am 28. Februar verschiedene Religionsvertreter für den Frieden in der Ukraine, darunter auch Diakon Schärer.

«Ich bin sehr froh, dass die Leute Druck auf den Bundesrat ausgeübt haben», sagt Zatorskyy und auch die Schweiz die Sanktionen gegen Russland übernommen hat. Denn: «Ohne diesen Druck aus dem Volk wäre der Bundesrat nicht von der Neutralität abgewichen». Die Bevölkerung hierzulande sei sehr hilfsbereit, was sich auch darin zeige, dass viele ukrainische Flüchtlinge aufnehmen wollen, sagt Zatroskyy, der die Schweizer Staatsbürgerschaft beantragt hat.

Sandra Hohendahl-Tesch, reformiert.info

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