Als Schweizer geboren, wuchs Hans-Jürgen Studer in Deutschland auf. Seine Grosseltern waren beide Sigristen in der reformierten Kirche Horw. Und immer, wenn er sie in der Schweiz besuchte und sie in die Kirche begleitete, übte ein bestimmtes Stück grosse Anziehungskraft auf ihn aus: die Kirchenorgel. «Ich durfte mal zum Organisten rauf, ihm zuschauen und sogar mal eine Taste drücken», erinnert sich Studer an seine ersten Begegnungen mit dem Instrument.
Vielseitigkeit fasziniert ihn
Studers musikalische Ausbildung begann jedoch unter anderem Vorzeichen. Auf Wunsch seiner Eltern sollte er eine Banklehre absolvieren. Das hatte allerdings wenig mit seiner wahren Leidenschaft zu tun. Ein Berufsberater wies auf die Möglichkeit eines Orgelstudiums hin. Zunächst zögerte Studer, da das Ausbildungsmodell in Deutschland damals streng kirchlich geprägt war. Er entschloss sich, das Orgelstudium in Zürich zu absolvieren, wo er bei seinen Grosseltern in der Schweiz wohnen konnte.
Während seiner Studienzeit hatte er das Privileg, das zu tun, was er liebte: Orgel spielen. Und da seine Grosseltern eben Sigristen in einer Kirche waren, konnte er praktisch Tag und Nacht an der Kirchenorgel üben. Ein grosser Vorteil, ist er heute überzeugt. An der Orgel fasziniert ihn bis heute die Vielseitigkeit und die Möglichkeit, regelmässig in der Kirche zu spielen. «Ich kenne kein anderes Instrument, mit dem man als Musiker so oft Auftrittsmöglichkeiten hat», erklärt er. Die Orgel sieht er aber nicht nur als Instrument, sondern als Kommunikationsmittel mit der Gemeinde. «Während eines Gottesdienstes trägt die Orgel das Wort der Predigt weiter und verstärkt die spirituelle Erfahrung der Anwesenden.»
Vor 36 Jahren fing Hans-Jürgen Studer als Kirchenmusiker in der reformierten Kirche in Zug an. Er hatte das Glück und konnte schon nach wenigen Jahren im Amt den Bau der neuen Orgel nicht nur begleiten, sondern auch mitbestimmen. Ein Privileg, wie er sagt. Die Goll-Orgel mit über 2000 Pfeifen nennt er auch liebevoll den «Rolls Royce unter den Orgeln». Der ganze Aufbau, die präzise Verarbeitung, das Gehäuse, alles sei erstklassig. «Man sieht es ja schon an den Prospektpfeifen, die vergoldet sind», schwärmt er.
Bald im Ruhestand
Viel hat sich während seiner Zeit in Zug verändert. Der Wegfall einer festen, engagierten Kerngemeinde und die Auflösung des Kirchenchors sind nur einige der Entwicklungen, die der 64-Jährige mit Bedauern beobachtet hat. Doch trotz dieser Veränderungen ist Studer stets optimistisch geblieben und hat sich auf die positiven Aspekte konzentriert. Mit der Orgelkonzertreihe, die er ins Leben rief, konnte er die Tradition der Kirchenmusik auch in schwierigen Zeiten aufrechterhalten.
Studer liebt die Vielfalt seiner Arbeit: die Proben für die Gottesdienste, das Zusammenspiel mit anderen Musikern sowie die Vorbereitung auf anspruchsvolle Orgelwerke. Er unterrichtet auch junge Orgelschüler. Der Nachwuchs liegt ihm besonders am Herzen. Trotzdem antwortet er auf die Frage, ob er jungen Musikern den Beruf des Kirchenmusikers empfehlen würde, ganz klar mit «Nein». Er erläutert: «Ich würde jedem raten, einen anderen Beruf parallel zu ergreifen, denn die Stellen für Kirchenmusiker sind rar und oft nur noch zeitlich begrenzt.»
Sein Ruhestand rückt näher. Doch trotz des bevorstehenden Abschieds als Kirchenmusiker bleibt er der Musik verbunden. «Ich kann mir vorstellen, Kammermusikprojekte zu machen oder ein Klavierquintett zu spielen», sagt er mit einem Lächeln, «aber alles ohne Zwang und ohne Drang.»
Er spielt auf dem «Rolls Royce» der Kirchenorgeln